LCB

Literatur in den Sprachen Berlins 2023

Ein Verzeichnis der aktuell in Berlin lebenden und schreibenden Autor∙innen ergibt ein vielsprachiges Register – auf literaturport.de kann man es nachvollziehen. Als Freihafen der Künste, Metropole des Übersetzens und nicht zuletzt als Hauptstadt des Exils hat sich Berlin in den letzten beiden Jahrzehnten zum vielsprachigen literarischen Experimentierfeld entwickelt. Die Kulturpolitik hat darauf reagiert: Seit 2018 vergibt der Berliner Senat auch an die nicht auf Deutsch schreibenden Autor∙innen Stipendien – 21 sind es im laufenden Jahr. Die auf diese Weise Prämierten werden an diesem Abend auf drei Podien in kurzen Lesungen und Gesprächen von den sieben an der Auswahl beteiligten Juror∙innen (Irina Bondas, Hernán D. Caro, Leila Chammaa, Tomer Gardi, Karolina Golimowska, Lilian Pithan und Achim Wagner) präsentiert.

Ausgezeichnet wurden die litauische Schriftstellerin und Übersetzerin Arna Aley, die kurdische Autorin Yıldiz Çakar, der chilenische Autor und Übersetzer Tomás Cohen, die ägyptische Schriftstellerin Wiam El-Tamami, die US-Amerikanischen Autoren Kenny Fries und Rob Madole, die amerikanische Lyrikerin Tracy Fuad, die in Bosnien und Herzegowina geborene Dichterin Katarina Gotic, die australische Autorin Barbara Ivusic, die auf Englisch schreibenden Autor∙innen Caroline Schmidt und Lukas Kofoed Reimann, der italienische Autor Vincenzo Latronico, der israelische Schriftsteller Dory Manor, die neuseeländische Autorin Alice Miller, die palästinensische Autorin Haneen Naamneh, die auf Französisch schreibende Schriftstellerin Jennifer Richard, die mexikanische Lyrikerin Sandra Rosas, der Ungar Ákos Szolcsányi, der französische Autor und Übersetzer Pierre Testard, die türkische Autorin und Journalistin, Burçin Tetik sowie der kolumbianische Romanautor Antonio Ungar.

Arna Aley

Arna Aley, geboren in Panevėžys, Litauen, studierte Violoncello an der Akademie für Musik und Theater in Vilnius und Szenisches Schreiben an der Universität der Künste in Berlin. Nach ihrem Studium arbeitete sie als Regieassistentin, Abendspielleitung und Bühnenmusikerin am Berliner Ensemble, u. a. mit George Tabori und Claus Peymann. 2009 wechselte sie zum Film und leitete die Regieabteilung beim internationalen Multimediaprojekt ›DAU‹ (Regie: Ilya Khrzhanovsky). Ihre Theaterstücke (vertreten durch Felix Bloch Erben) wurden mit zahlreichen Preisen und  Stipendien ausgezeichnet und u. a. am Berliner Ensemble uraufgeführt. 2022 war sie die erste Literaturstipendiatin der Stadt Chemnitz. Sie übersetzt Theaterstücke aus dem Litauischen ins Deutsche und aus dem Deutschen ins Litauische, u. a. von Sibylle Berg. Arna Aley lebt als Autorin und Übersetzerin in Berlin.

Arna Aley: »ISTERIJA«

Die litauische Bezeichnung kaklo duobė – die Halsgrube – spiegelt mein Kindheitstrauma keinesfalls wider. Der deutsche Begriff „Drosselgrube“ bringt es schon eher auf den Punkt. Ich habe dieses Kindheitserlebnis in einem meiner Theaterstücke beschrieben, in dem ein Neugeborenes von seiner Mutter regelmäßig unter Wasser gewürgt wird, wobei die Mutter, jedes Mal von einer Art Orgasmus überwältigt, immer abhängiger wird von dem Moment, in dem eine Millisekunde über Leben oder Tod entscheidet. Überleben. …

Weiterlesen im Original oder in der Übersetzung
aus dem Litauschen von Arna Aley

01_Arna Aley © Anne Gottschalk

Arna Aley © Anne Gottschalk

Yıldız Çakar

Yıldız Çakar, born in 1978, is a poet, writer, playwright. She is also a founding member and was one of co-chair of the Kurdish Writers’ Association. She worked as correspondent and editor for Kurdish newspapers. Her first poems have published by Elma Publishing (Graveyard of Stars, 2004). She has also published a collection of poems, a cultural encyclopedia of Diyarbakır city, several novels, and a collection of short stories. She wrote a monologue for Royal Shakespeare Company, a theater play for Maxim Gorki Theater in Berlin and a monologue for Theatre EastNBull in London. This digital theater Project »Lockedown Locked In« of Theatre EastNBull received the award of Athens International Art Film Festival (Best Original Script).

Yıldız Çakar: »Der Traumhändler«

Elî verkaufte den letzten Teil des Grundstücks seines Vaters für ein Goldstück. „Dieses Mal werde ich reich werden“, dachte er sich. Aufgeregt machte er sich auf den Weg Richtung Spiellokal. Den ganzen Tag, die Nacht hindurch sogar bis zum nächsten Morgengrauen verließ er nicht den Spieltisch. Früh am Morgen, alle Hoffnungen in seine Lederschuhe steckend, deren Hinterkappe er umgeklappt hatte, warf er sein schwarzes Sakko über die Schulter – so kam er aus dem Spielcafé. …

Weiterlesen im Original oder in der Übersetzung
aus dem Kurdischen von Şahin Kürküt

02_Yıldız Çakar © privat

Yıldız Çakar © privat

Tomás Cohen

Tomás Cohen, geboren 1984 in Pelluhue, Chile, ist Schriftsteller, Übersetzer und Kurator von Kulturveranstaltungen. Er hat die Bücher »Redoble del ronroneo« (Buenos Aires Poetry, Argentinien, 2016), »Un árbol de luz íntima« (Ediciones Bastante, Chile, 2019) und »Tríada mayor (Siesta Verlag, Deutschland, 2023) veröffentlicht. Seine Gedichte wurden in acht Sprachen übersetzt und in internationalen Zeitschriften und Anthologien veröffentlicht. Seine Arbeit wurde von der Pablo Neruda Stiftung und dem Buchfonds (Chile), dem Baltic Centre for Writers and Translators (Schweden), dem Übersetzerhaus Looren (Schweiz) und dem Berliner Senat gefördert. Er ist Vorstandsmitglied des Vereins Unabhängige Lesereihen, organisiert die mehrsprachige Lesereihe Hafenlesung in Hamburg mit und ist künstlerischer Leiter von VOCATIONS, einer Veranstaltungsreihe von Haus für Poesie und Akademie der Künste. Sein erster Gedichtband in deutscher Übersetzung (von Luisa Donnerberg) wird diesen Herbst im ELIF Verlag erscheinen. Tomás Cohen studierte Bildende Kunst, Kunstgeschichte und Musikwissenschaft in Santiago de Chile und New York. Nachdem er zwei Jahre lang in einem buddhistischen Kloster in Kathmandu gelebt hatte, studierte er tibetische Philologie und Sanskrit in Hamburg. Er lebt mit seinem Sohn Taro Sol in Berlin.

Tomás Cohen: »Eine Sternwarte im Badezimmer«

ICH MERKE EINE PUSTEL
der sich sammelnden polizeilichen Repression, infektiös,
an dem Punkt auf meinem Rücken, mit dem
ein Kreuz gestützt würde,
dort, wo sich ohne Hilfe niemand kratzen kann,

Weiterlesen im Original oder in der Übersetzung
aus dem Spanischen von Luisa Donnerberg

03_Tomás Cohen © Jan Zappner

Tomás Cohen © Jan Zappner

Wiam El-Tamami

Wiam El-Tamami is an Egyptian writer, translator, editor, and wanderer. She has spent many years moving between different cultures and communities across Southeast Asia, Europe, the Middle East, and North America. She writes nonfiction, fiction, and microstories that blur the boundaries of both. Her writing and translation work has been published in Granta, Freeman’s, Social Movement Studies, Jadaliyya, Alif, Banipal, Craft and Ploughshares Solos (forthcoming), as well as several anthologies, including Translating Dissent, The Uncanny Reader, and Road Stories. She has received fellowships, grants, and residencies from Art Omi, the Banff Center for the Arts, Akademie Schloss Solitude, the Mophradat Foundation, and the Berlin Senatsverwaltung für Kultur und Europa. She won the 2011 Harvill Secker Translation Prize, was shortlisted for the 2023 Craft Nonfiction Prize, and was a finalist for the 2023 Disquiet Prize. She has just finished her first book of literary nonfiction.

04_Wiam El-Tamami © Mohamad El-Hadidi

Wiam El-Tamami © Mohamad El-Hadidi

Kenny Fries

Kenny Fries is the author of »In the Province of the Gods« (Creative Capital Literature Award); »The History of My Shoes and the Evolution of Darwin’s Theory« (Outstanding Book Award, Gustavus Meyers Center for the Study of Bigotry and Human Rights); and »Body, Remember: A Memoir«. He edited »Staring Back: The Disability Experience from the Inside Out« and his books of poems include »In the Gardens of Japan, Desert Walking, and Anesthesia«. He was commissioned by Houston Grand Opera to write the libretto for »The Memory Stone«. Twice a Fulbright Scholar (Japan and Germany), he was a Rockefeller Foundation Bellagio Center Arts and Literary Arts Fellow; a Creative Arts Fellow of the Japan/US Friendship Commission and the National Endowment for the Arts; a Cultural Vistas/Heinrich Böll Foundation DAICOR Fellow in transatlantic diverse and inclusive public remembrance; and is a Ford Foundation/Mellon Foundation/USA Artists Disability Futures Fellow. He has received grants from the DAAD, Canada Council for the Arts, Ontario Arts Council, and Toronto Arts Council. He curated ›Queering the Crip, Cripping the Queer‹ the first international exhibit on queer/disability history, activism, and culture at the Schwules Museum Berlin. His work-in-progress is »Stumbling over History: Disability and the Holocaust«, excerpts of which have been published in The New York Times, The Believer, and Craft, and are the basis of his video series »What Happened Here in the Summer of 1940?«.

Kenny Fries: »Das Verhalten der Delinquenten«

Außerhalb des Gebäudes der Gedenkstätte befindet sich kein Friedhof. Auf der anderen Seite des Parkplatzes liegt eine große graue Kiesfläche, die nur von den rötlich-braunen Ziegelsteinfundamenten der ehemaligen Gefängnisscheune unterbrochen wird, in der die Gaskammer untergebracht war. Auf dem Kies liegen kreisförmig aufgehäufte Blätter – als wären diese zufälligen Formen in einem verborgenen Ritual der Trauer versammelt. …

Weiterlesen im Original oder in der Übersetzung
aus dem Englischen von Hannes Koberg

05_Kenny Fries © Michael R. Dekker

Kenny Fries © Michael R. Dekker

Tracy Fuad

Tracy Fuad was born in Minneapolis and has lived in Berlin since 2020. Her second collection of poetry, »PORTAL«, won the Phoenix Emerging Poets’ Prize and will be published by the University of Chicago in 2024. She is also the author of »about:blank«. She teaches poetry at the Berlin Writers’ Workshop.

Tracy Fuad: »Gong«

Manchmal gefällt mir sehr
Wenn ich nicht sehen kann
Was mir gefällt

Weiterlesen im Original oder in der Übersetzung
aus dem Englischen von Jonis Hartmann

06_Tracy Fuad © Carleen Coulter

Tracy Fuad © Carleen Coulter

Katarina Gotic

Katarina Gotic, geboren 1994 in Gradiška, Bosnien und Herzegowina, ist Dichterin und interdisziplinäre Künstlerin. Derzeit arbeitet sie an der Sprach/Bild-Collage »leerlauf« und dem Erasure-Projekt »VENAC«, in dem sie sozialistische Zeitschriften ihrer Familie (de)konstruiert. Ihr erster Gedichtband »we need a breathing tongue between« wird 2023 bei kith books erscheinen. Katarina Gotic war Finalistin für den diesjährigen ZVONO-Preis und wird ihre Werke im Herbst/Winter 2023 in verschiedenen Städten Bosniens und Herzegowinas ausstellen.

Katarina Gotic: »leerlauf«

es gibt ein 24-stunden-video von einem schwarzen bildschirm: ich habe so viel gelernt, ist ein
kommentar, aber der verschluss klemmt und vieles in unserer stadt entstammt früheren zeiten.
er schnitt das band durch, er gab der straße ihren namen, benannte sie um, benannte sie um:
ich nenne sie nun nach einem mann, der starb: er fuhr neun deutsche lastwagen. …

Weiterlesen im Original oder in der Übersetzung
aus dem Englischen von Sophia Merwald

07_Katarina Gotic © privat

Katarina Gotic @ privat

 

 

 

vertrocknete sonnenblumen wie duschköpfe, zeigen auf zehen. wenn blau wie eine bremse
gelb zusammendrückt, ein rechtwinkliges dreieck das feld durchbricht, sind punkte die finger
einer arbeiterhand. dieser satz enthält eine produktplatzierung. du liest ihn so, wie du eine
kerze anhauchst: eine gemütliche qualmtaube nistet in deinem hals. manche sagen, man kann
eine sprache verlieren, also halte ich unsere, als hätten wir den zebrastreifen verpasst –
niemand soll uns die vorfahrt nehmen. ich bin weder / niemand / noch eine nation. …

 

 

Katarina Gotic: Bingo

Katarina Gotic: »Bingo«

Katarina Gotic: »cc«

Katarina Gotic: »cc«

Barbara Ivusic

Barbara Ivusic is an editor and emerging author. She has a B.A. (HONS) in English Literature from the University of Sydney. Her work has appeared in international magazines such as Island, Stadtsprachen, Cheat River Review, Glitter and Tears in the Fence as well as anthologies such as »Resilience« (Ultimo Press, Sydney) and »Beyond Queer Words« (Berlin). She’s currently working on her first novel »Hevelyn Farm« and living in Berlin.

Barbara Ivusic: »Hevelyn Farm«

Das Wort Liebe wird auf dem Hof immer noch in den Mund genommen. Die Liebe zu den Kindern, die Liebe füreinander, die Liebe zu den Hunden, aber wir sprechen nicht über die Dinge, die wichtig sind, die Dinge, die uns innerlich schwach machen. Evelyn hat jede Verantwortung abgegeben. Sie ist in ihrer Krankheit versunken, und ich hasse sie dafür. …

Weiterlesen im Original oder in der Übersetzung
aus dem Englischen von Patricia Hempel

08_Barbara Ivusic © Laura Kießling

Barbara Ivusic © Laura Kießling

Vincenzo Latronico

Vincenzo Latronico ist Schriftsteller und Übersetzer. Sein neuester Roman »Le perfezioni« (Bompiani, 2022; Claassen, 2023) wird derzeit in mehr als zwanzig Länder übersetzt. Er selbst hat bereits Werke von Oscar Wilde, Alexandre Dumas, Jeff VanderMeer und George Orwell übersetzt. Er lebt in Berlin.

Vincenzo Latronico: »Die Ordnung herrscht in Berlin«

Unterschiedliche Gegenden derselben Stadt sind in verschiedenen Momenten fotografiert: Auf Google Maps vergeht die Zeit sprunghaft. Das Fenster deiner Großmutter gibt es in zwei Versionen, in der einen sind die Pflanzen lebendig, in der anderen tot wie sie. Es gibt ein Foto deines Hauses heute, da du allein dort wohnst; und eines, als du mit deinem Freund dort wohntest. …

Weiterlesen im Original oder in der Übersetzung
aus dem Italienischen von Verena von Koskull

09_Vincenzo Latronico © Marcus Lieder

Vincenzo Latronico © Marcus Lieder

Rob Madole

Rob Madole is a writer and translator. Born in 1987 in Dallas, Texas, he has lived in Berlin since 2010. His essays and reviews have appeared in publications such as the New York Times Magazine, The Baffler, Texas Monthly, The Point Magazine, Ploughshares, Spike Art Magazine, The Los Angeles Review of Books, and elsewhere. He was formerly an editor at the architecture magazine ARCH+. Currently, he is working on a novel about the midcentury avant-garde and its entanglements with the so-called ›cultural Cold War‹.

Rob Madole: »Was gespielt wird«

Wie kann ich das Erlebnis von Takahashis Darbietung vermitteln? Sie glich nichts, was ich je zuvor erlebt hatte. Laut Programmheft hatte Xydakis die Stochastik-Suite „stochastisch“ komponiert, also nach dem Zufallsprinzip, indem er an der Technischen Universität Berlin einen Lochkarten-Computer mit bestimmten Wahrscheinlichkeitsfeldern fütterte. …

Weiterlesen im Original oder in der Übersetzung
aus dem Englischen von Tobias Rothenbücher

10_Rob Madole © Mathilde Lind Gustavussen

Rob Madole © Mathilde Lind Gustavussen

Dory Manor

Dory Manor, a writer, poet, translator, and editor, was born in Tel Aviv. He has published five books of poetry and a memoir. His first novel will be published in 2024. His Hebrew translations of classic literature include works by Voltaire, Descartes, Molière, Flaubert, Baudelaire, Mallarmé, Valéry, Apollinaire, Ginsberg, Blake, Lorca, Auden, and others. He is the recipient of several literary prizes, including the Eshkol Prize for writers, the Tel Aviv Municipality’s Tchernichovsky Prize for Masterpiece Translations, the Yehuda Amichai Prize for Hebrew Poetry, and the Ministry of Culture’s Prize for Literary Editing. Manor is the founder and editor (since 2005) of the literary magazine Oh! and The 21st, a collection of translated literature. He served as editor-in-chief at Israel’s Educational Program for the Arts & Humanities. He was also a lecturer for literature and literary translation at INALCO and Science-Po in Paris as well as Tel Aviv University and Ben-Gourion University of the Negev, editor and broadcaster for the radio, and collaborates with musicians as artistic advisor, writer and translator. He earned his Ph.D. at INALCO University in Paris and is an Honorary Fellow of the University of Iowa in the USA (2011). In 2019, Manor was awarded the title of Knight of the Order of Arts and Letters by the French government. He’s been living in Berlin, his father’s hometown, since 2019.

Dory Manor: »Der Strand der Orthodoxen«

Ich nahm ihren Typen vor ihr wahr. Wie ein Idiot stand er an der Schießbude und zielte mit einem Luftgewehr auf irgendeinen Plüschbären. …

Weiterlesen im Original oder in der Übersetzung
aus dem Hebräischen von Ulrike Harnisch

Dory Manor_Hintergrund

Dory Manor © Moshe Sakal

Alice Miller

Alice Miller is a writer from Aotearoa, New Zealand. She is the author of the novel »More Miracle than Bird« (Tin House) and three poetry collections, »What Fire« (Pavilion), »Nowhere Nearer« (Pavilion and Auckland University Press), and »The Limits« (Shearsman and AUP). A graduate of the International Institute of Modern Letters and the Iowa Writers’ Workshop, she has received a Glenn Schaeffer fellowship, the Royal Society of New Zealand Manhire Prize, a fellowship at the Akademie Schloss Solitude, and has also travelled to Antarctica courtesy of Antarctica New Zealand.

Alice Miller: Gedichte

Ein Glasfahrstuhl hebt sich über den Fjord,
erreicht schärfsten Gebäudeort.

Körper zu sein ist schräg zu jeder Zeit.

All wir steuern mehr gen Störung.

Wer wird wen erretten?

Weiterlesen im Original oder in der Übersetzung
aus dem Englischen von Jonis Hartmann

12_Alice Miller © Studio Monbijou

Alice Miller © Studio Monbijou

Haneen Naamneh

Haneen Naamneh is a writer and researcher, she holds a PhD in Sociology. She co-founded the Iraqi media platform Jummar in 2022, and has recently joined the Jerusalem Quarterly journal as a contributing editor.

Haneen Naahmneh: »Mittwoch«

Er schließt die Augen. Deutschland lässt die Hufe seiner Stuten auf den Boden aufstampfen. Aber seine Phantasie ist kürzer als ein ungebändigter Sprung jener Stuten. …

Weiterlesen im Original oder in der Übersetzung
aus dem Arabischen von Youssef Hijazi

13_Haneen Naamneh © privat

Haneen Naamneh © privat

Lukas Kofoed Reimann

Lukas Kofoed Reimann is a writer, scholar, and editor who lives in Berlin. His writing is often concerned with questions of identity and belonging, and his current project explores his experiences of transition and chronic pain in particular. He is a passionate reader of all kinds of trans* literature and continually hopes to empower others to tell their stories. In 2019 he wrote his master’s thesis on trans* autobiography and kinship at Humboldt University. Recently his work has been published in English in Overcom and in Danish in Trappe Tusind, and his text »Undiagnosed« was selected as a runner up for the Berlin Writing Prize 2022.

Lukas Kofoed Reimann: »Badewannen-Verbundenheit«

Im Wasser ist mein Körper nicht ambivalent, mehrdeutig, kompliziert – er ist in seiner Queerness leicht zu lesen. Da ist nichts, womit ich unzufrieden bin, nichts, wonach ich streben müsste, nur ein Mensch, der mit einem anderen durch einen kleinen Bildschirm verbunden ist. Ein Mensch, der so greifbar ist wie ich. …

Weiterlesen im Original oder in der Übersetzung
aus dem Englischen von Tobias Rothenbücher

14_Lukas Kofoed Reimann © privat

Lukas Kofoed Reimann © privat

Jennifer Richard

Jennifer Richard wurde in Los Angeles geboren und hat als Kind in mehreren Französischen Überseegebiete gelebt, bevor sie sich in Paris niederließ. Nach ihrem Jurastudium arbeitete sie als Dokumentalistin fürs Fernsehen und widmete sich nach und nach dem Schreiben. Seit 2019 wohnt sie in Berlin. Mit Imperialismus und Emanzipation als ihren Lieblingsthemen bietet sie Literatur frei von künstlichen Spaltungen und politischer Korrektheit. Sie ist außerdem Kinderbuchautorin und hat kürzlich ihre ersten Schritte in der Krimiliteratur unternommen.

Jennifer Richard: »Tout doit disparaître«

Ein Teil ihrer Rücklagen stammte von den Investitionen, die sie zusätzlich im Pflegebereich hatte tätigen können. Standort, Baujahr, Möglichkeiten der Verlängerung von Mietverträgen, garantierte Indexmiete, Last der größeren Reparaturarbeiten (der berüchtigte Artikel 606 des Code Civil), etc. Sie war in der Lage gewesen, die Rendite eines Produkts genauso präzise zu berechnen wie ein kaufmännischer Angestellter bei Orpea, und sie hatte sich immer eine Mindestrate von 5,80 % gesichert. Sie hatte auch gespürt, dass der Wind sich drehte und zum richtigen Zeitpunkt wieder verkauft, wenige Monate vor Verkündung des Gesetzes zur allgemeinen Sterbehilfe, was zur Folge hatte, dass immer mehr Gelder in die großen Labore flossen, je kürzer die Wartelisten für einen Platz im Pflegeheim wurden. …

Weiterlesen im Original oder in der Übersetzung
aus dem Französischen von Sara Fischer

Jennifer Richard_Hintergrund

Jennifer Richard © Pierre Vergely

Sandra Rosas

Sandra Rosas wurde 1977 in Mexiko geboren. Sie studierte Lateinamerikanische Literatur an der Universidad Autónoma del Estado de México und erwarb einen Master im Fach Interdisziplinäre Lateinamerikastudien an der Freien Universität Berlin. Seit 2004 lebt und arbeitet sie in Berlin. 2019 veröffentlichte sie ihren ersten zweisprachigen Gedichtband »Pupilas ciegas / Blinde Pupillen« (KLAK Verlag). 2021 erhielt sie ein Stipendium im Künstlerdorf Schöppingen. Derzeit ist sie Doktorandin an der Ruprechts- Karls-Universität Heidelberg.

Sandra Rosas: »Das Meer, das Mama nicht sah«

Plötzlich hielt ich einen toten Finger in meinen Händen. Es war der Zeigefinger einer rechten Hand. Reflexartig versuchte meine linke, sein Gegenstück zu ertasten. Erleichtert stellte ich fest, dass ich noch alle Finger besaß. Der tote Finger war jedoch immer noch da, hing in dem Pullover, den ich trug.

Weiterlesen im Original oder in der Übersetzung
aus dem Spanischen von Timo Berger

16_Sandra Rosas © Magnus Arrevad

Sandra Rosas © Magnus Arrevad

Caroline Schmidt

Caroline Schmidt wurde in Princeton geboren. Nach einem Studium der Bildenden Kunst und einem Abschluss in Anglistik, zog sie 2014 nach Berlin, um an der Freien Universität Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft zu studieren. Sie arbeitet als Autorin und freie Übersetzerin von kunstgeschichtlichen und literarischen Texten. 2020 wurde ihre Übersetzung von Esther Kinskys Roman »Grove« (»Hain«) für den Oxford-Weidenfeld Translation Prize nominiert.

Caroline Schmidt: »Hunde mit zu langem Rücken sind unangenehm anzusehen«

Wenn William List eins war, dann außerordentlich überzeugend. Nur wenige Stunden nach meiner Ankunft auf der Insel St. Claire begann er seine Überzeugungskünste auch auf mich anzuwenden. Noch heute werde ich unruhig, wenn ich daran denke. Ich werde zapplig. Mich überkommt das Verlangen, von meinem Schreibtisch aufzustehen.

Weiterlesen im Original oder in der Übersetzung
aus dem Englischen von Julia Wolf

17_Caroline Schmidt © privat

Caroline Schmidt © privat

Ákos Szolcsányi

Ákos Szolcsányi, geboren 1984, ist Lyriker, Schriftsteller, Service Delivery Specialist und Übersetzer. Meine ersten Gedichte wurden auf die Oberfläche einer Schulbank geschrieben, über die Dummheit eines Mitschülers, ungefähr acht Monate nach dem Tod meiner Mutter. Kein Zusammenhang, dachte ich. Anschließend bin ich in die Hauptstadt Ungarns umgezogen, um Spanisch zu lernen, aber dort ist auch vieles andere geschehen. U. a. wurde ich überfallen und ein bisschen später an einer Uni zugelassen. Noch einmal dachte ich, kein Zusammenhang. In 2017 bin ich Vater und Doktor der Hispanistik geworden. Noch mal, kein Zusammenhang. Seit 2019 wohne ich in Berlin, bin auf der Suche nach Zusammenhängen (mit wenigem Erfolg) und lerne Deutsch. Wie die Hauptfigur einer Lebensversicherungswerbung geht es mir immer besser.

Ákos Szolcsányi: »2021/1 – 2023/2«

Wir haben zu Weihnachten ein Spiel gekauft, in dem man zusammenarbeiten muss. Die Figuren sollen auf einer Brücke, die von sechs schmelzenden Eisblöcken getragen wird, von einer Eisscholle zur nächsten gelangen. Wir würfeln abwechselnd, ziehen mit einer Figur unserer Wahl, und am Ende gewinnen wir alle oder wir verlieren alle. Ein hervorragender Dämpfer für jede Familie, die vor der Scheidung steht.

Weiterlesen im Original oder in der Übersetzung
aus dem Ungarischen von Tünde Malomvölgyi

Ákos Szolcsányi © privat

Pierre Testard

Pierre Testard wurde 1987 geboren. Er hat seinen ersten Roman, »Les enfants Boetti« (Actes Sud), auf Französisch in 2022 veröffentlicht. Er übersetzt auch literarische und künstlerische Texte aus dem Englischen ins Französische.

Pierre Testard: o. T.

Ich wohne zwar schon lange nicht mehr im Dorf, aber mindestens einmal im Jahr komme ich zu Besuch und bis heute höre ich ihre Namen, sogar aus dem Mund der Jugendlichen. Die Erinnerung an sie besteht fort wie ein Monument der lokalen Gedenkkultur und scheint mit der Zeit sogar um weitere, manchmal völlig neue Details ausgeschmückt zu werden. Ich habe mir am Ende mein eigenes Bild von dem berühmten Trio gemacht, das meine Freundin Bardo und ich immer die Brüder Karamasow nannten, was sicher daran lag, dass sie wie orthodoxe Priester aussahen, aber auch an ihren angeregten Gesprächen vor dem Wohnwagen über tiefsinnige Themen, die uns Normalsterblichen vorenthalten blieben.

Weiterlesen im Original oder in der Übersetzung
aus dem Französischen von Sara Fischer

Pierre Testard_Hintergrund

Pierre Testard © Rechte vorbehalten

Burçin Tetik

Burçin Tetik ist eine türkische Schriftstellerin und Journalistin. Sie schreibt hauptsächlich über Frauenrechte, LGBTQ, Sexismus und die Kultur der Unterdrückung. Ihre Geschichte »Eşçip«, die sich mit der von Männern dominierten Familienstruktur in einem Science-Fiction-Rahmen befasst, wurde 2015 mit dem ersten Preis im Science-Fiction-Story-Wettbewerb des türkischen Informatikmagazins ausgezeichnet. Sie ist die erste Frau, die diesen Preis gewonnen hat. Mit ihrer Geschichte »Eine halbe Stunde« gewann sie einen Sonderpreis im Story-Wettbewerb von Kaos GL (2018). Ihr Erzählband »Die Rippe meiner Mutter«, der sich mit den Themen Frau-Sein, LGBTQ+ und Einwanderung beschäftigt, wurde 2020 veröffentlicht. Sie arbeitet als Redakteurin für den YouTube-Kanal +90 der Deutschen Welle.

Burçin Tetik: »Die Rippe meiner Mutter«

Mit einem feuchten Tuch reinigte ich ihr das Gesicht, den Hals, die Schultern. Es war nicht niemand da, ich war da. Ich war derart immer da, dass ich mittlerweile unsichtbar geworden war. Ich war doch hergekommen, hatte die sauberen Laken, einen Topf Pasta mit Brokkoli und Sibel verlassen, die meine Mutter für meine Mitbewohnerin hielt. Doch wieder war ich nicht genug. Ich konnte meiner Mutter niemals genügen. …

Weiterlesen im Original oder in der Übersetzung
aus dem Türkischen von Monika Demirel

20_Burçin Tetik © privat

Burçin Tetik © privat

Antonio Ungar

Antonio Ungar was born 1974 in Bogotá. His novels are translated into seven languages and his short stories have been included in more than twenty anthologies in five languages. His novel »Tres ataúdes blancos«, was awarded in 2010 with the prestigious Herralde Prize, and was short-listed for the Rómulo Gallegos Prize in 2011. Other prizes and distinctions include representing Colombia in the IWP Residence (2005), representing Colombia in the Granta Magazine Latin-American Anthology (2007), being short listed for the 2008 Courier International Prize (second best foreign book published in France), getting the National Journalism Prize Simón Bolívar (2005). His last two novels, »Mírame« (2019) and »Eva y las fieras« (2022), are currently being translated into French.

Antonio Ungar: »Eva und die wilden Tiere«

Vielleicht sah so das Ende aus. Vielleicht war das ihr Tod: in einer Blutlache liegend, auf dem Boden eines treibenden Kanus auf dem Orinoco, tief im Urwald. Da verspürte sie eine maßlos sanfte Gelassenheit und musste, bevor sie das Bewusstsein verlor, an den schwebenden Trip nach ihrem ersten Schuss Heroin denken. Sie lachte laut. Ihr erster Schuss Heroin. Sie lachte noch lauter, als sie ihr eigenes Lachen hörte. Und ließ sich gehen.

Weiterlesen im Original oder in der Übersetzung
aus dem Spanischen von Susanne Lange

21_Juan Antonio Ungar © Vasco Szinetar

Antonio Ungar © Vasco Szinetar

Die Autor·innen am 25. August 2023 im LCB © Gerald Zörner – gezett

Ghayath Almadhoun

Publikum

Vera Kurlenina, Irina Bondas, Wiam El-Tamami, Georg Leß u. a.

Martha Gantier Balderrama, Tomer Gardi, Barbara Ivusic u. a.

Lilian Pithan, Jürgen Jakob Becker, Publikum

Lilian Pithan, Tomás Cohen, Pierre Testard

Sandra Rosas, Hernán D. Caro, Jennifer Richard

Kenny Fries, Wiam El-Tamami, Irina Bondas

Katarina Gotic, Irina Bondas, Tracy Fuad

Caroline Schmidt, Katarina Golimowska, Lukas Kofoed Reimann

Dory Manor, Barbara Ivusic

Karolina Golimowska, Rob Madole, Alice Miller, Antonio Ungar

Arna Aley, Ákos Szolcsányi

Burçin Tetik

Tomás Cohen

Sandra Rosas

Pierre Testard

Caroline Schmidt, Karolina Golimowska

Wiam El-Tamami

Kenny Fries

Jennifer Richard

Barbara Ivusic

Lukas Kofoed Reimann

Caroline Schmidt

Katarina Gotic

Arna Aley

Rob Madole

Ákos Szolcsányi

Alice Miller

Antonio Ungar

Lilian Pithan

Hernán D. Caro

Achim Wagner

Irina Bondas

Tomer Gardi

Publikum

Gong, Claudia Schütze

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