LCB

Literatur in den Sprachen Berlins 2024

Ein Verzeichnis der aktuell in Berlin lebenden und schreibenden Autor∙innen ergibt ein vielsprachiges Register – auf literaturport.de kann man es nachvollziehen. Als Freihafen der Künste, Metropole des Übersetzens und nicht zuletzt als Hauptstadt des Exils hat sich Berlin in den letzten beiden Jahrzehnten zum vielsprachigen literarischen Experimentierfeld entwickelt. Die Kulturpolitik hat darauf reagiert: Seit 2018 vergibt der Berliner Senat auch an die nicht auf Deutsch schreibenden Autor∙innen Stipendien – 14 sind es im laufenden Jahr. Die Jury bestand in diesem Jahr aus Irina Bondas, Hernán D. Caro, Leila Chammaa, Jean-Baptiste Coursaud, Karolina Golimowska, Lea Hübner und Achim Wagner.

Ausgezeichnet wurden Barbaros Altuğ, Orhan Murat Bahtiyar, Angel B.H., emet ezell, Eduardo Halfon, Stefano Jorio, Pedro Kadivar, Furhad Khan, Anna Melikova, Marija Pavlović, Óscar Perdomo, avrina prabala-joslin, Zhou Qing und Jade Samson-Kermarrec.

 

Barbaros Altuğ

Barbaros Altuğ stammt aus Istanbul und lebt in Berlin. Er arbeitete für mehrere Zeitungen und Monatsmagazine als Redakteur und Kritiker sowie als kreativer Produzent für Filme und Fernsehserien. Seit 2018 lebt er in Berlin und erhielt für drei Jahre ein Stipendium des PEN Deutschland. Seinen ersten Roman »es geht uns hier gut« schrieb er vor zehn Jahren in Berlin über die Gezi-Bewegung. Es folgten die Romane »Sticht in meine Seele« (2020) und »Ausländer« (2022, beide übersetzt von Johannes Neuner, Orlanda Verlag). Seine Artikel über Kultur, Städte, Menschen und Orte wurden in Hurriyet, Radikal, Tagesspiegel, Kulturtausch Magazin und anderen Tages- und Monatszeitschriften veröffentlicht. Er ist Gründer der ersten türkischen Urheberrechtsagentur für türkische Autoren im Jahr 2000.

Barbaros Altuğ: »Die dunkelste Nacht eines langen Winters«

Auf den ersten Blick hatten wir außer der Namensgleichheit keinerlei Gemeinsamkeiten. Ich ein in Berlin lebender Schriftsteller in den Fünfzigern, er ein zwanzig Jahre jüngerer Ingenieur bei den türkischen Streitkräften, die mich, der ich schwul war, niemals als Soldaten in ihre Reihen aufgenommen hätten.

Weiterlesen im Original oder in der Übersetzung
aus dem Türkischen von Johannes Neuner

Barbaros Altuğ © Maximilian Gödecke

Orhan Murat Bahtiyar

Orhan Murat Bahtiyar ist Autor und Ingenieur mit einem ausgeprägten Interesse an Fotografie und Kino. Er machte einen Master-Abschluss in Technologie- und Innovationsmanagement an der New York University und absolvierte Diplomstudiengänge in Fotografie und Kino an der New York National Academy und der School of Visual Arts. Seine Kurzgeschichten und Artikel wurden in verschiedenen Zeitschriften und Zeitungen veröffentlicht. Im Jahr 2022 erschien sein erstes Buch, »Hurting Flesh«, bei Doğan Kitap. Derzeit lebt Orhan Murat Bahtiyar in Berlin und setzt seine akademische und literarische Arbeit auf dem Gebiet der digitalen Kreativität fort. Er schreibt monatlich für Literaturzeitschriften und hat eine Katze.

Orhan Murat Bahtiyar: »Ein Unfall«

„Die Freiheit“, sagte ich mir, „beginnt damit, die Familie zu töten.“

Weiterlesen im Original oder in der Übersetzung
aus dem Türkischen von Johannes Neuner

 

Orhan Murat Bahtiyar © privat_web

Orhan Murat Bahtiyar © privat

Angel B.H.

Angel B.H. ist eine kanadische Debütautorin, die in Berlin lebt. Sie beschreibt ihre frühen Jahre in den kanadischen Seeprovinzen als idyllisch und tragisch zugleich und hat sich zum Ziel gesetzt, ihrer Heimatstadt und anderen Orte Kanadas zu literarischer Bekanntheit zu verhelfen. Sie schreibt gerne über Queerness, Erotik, komplizierte Frauenfreundschaften und Religion (besonders in ihren blasphemischen Formen). Sie setzt sich für verschiedene Anliegen ein, die marginalisierte Frauen betreffen.

Angel B.H.: »Der Fluch des schnellen Geldes«

Es war noch früh und der Club war leer, aber ich konnte die Allgegenwart von Frauen spüren. Ich stellte sie mir vor wie flüchtige Geister, oben in den Kabinen in nichts als Pleasers auf Schößen von Fremden und wie sie diskret Zwanziger in gefräßige Clutches stopften. Hatten sie diesen Ort bereits mit einer sirenenhaften Ausstrahlung betreten? Oder hatten sie zurückhaltend begonnen und waren im Laufe der Zeit immer gerissener und verführerischer geworden? Brauchten sie dringend Geld? Gab es Kinder, heimliche Liebhaber oder andere, die von ihnen abhängig waren? Und wie passte ich da hinein?

Weiterlesen im Original oder in der Übersetzung
aus dem Englischen von Hannah Pöhlmann

 

Angel B.H. © privat

emet ezell

emet ezell ist ein∙e Dichter∙in und Typograf∙in aus Texas, USA. They ist Gewinner∙in des Gloria Anzaldúa Poetry Prize und Autor∙in von »Between Every Bird, Our Bones und Liberation Tarot«. ezell lebt in Berlin, schreibt, gibt Gedichte heraus und unterrichtet.

emet ezell: »WIR WURDEN AUS EINEM BLUMENFEST ENTFERNT«

vierundzwanzig stunden
zum packen wir
sammelten neun
verschiedene arten
von blumen

Weiterlesen im Original oder in der Übersetzung
aus dem Englischen von Lotta Thießen

 

emet ezell © Sanita Liepina

Eduardo Halfon

Eduardo Halfon wurde 1971 in Guatemala-Stadt geboren. Er hat fast 20 Prosawerke veröffentlicht. Im Jahr 2011 erhielt er das Guggenheim Fellowship um an der Fortsetzung von »Der polnische Boxer« zu arbeiten, seinem meistübersetzten Buch, das inzwischen in mehr als zwölf Sprachen vorliegt. Er wurde vom Hay Festival in Bogotá als einer der besten jungen lateinamerikanischen Schriftsteller ausgezeichnet und erhielt unter anderem den José María de Pereda Prize for the Short Novel in Spanien, den Edward Lewis Gallant Award in den USA, den Roger Caillois Prize in Frankreich und den renommierten Berman Literature Prize in Schweden. Vor kurzem wurde er mit dem Nationalen Literaturpreis Guatemalas ausgezeichnet, der höchsten literarischen Auszeichnung seines Landes.

Eduardo Halfon: »Das Zeltlager«

Wie man uns sagte, würden mein Bruder und ich alleine fliegen, ohne den Rest der Familie. Das Zeltlager, sagten uns meine Eltern, heiße Machane, auf Hebräisch, und werde mitten in einem riesigen Urwald stattfinden, etwa hundert Kilometer von der Hauptstadt entfernt. Wir würden einige Tage lang in Zelten wohnen und Lagerfeuer machen, sagten sie, einige Tage lang nicht nur Überlebenstechniken in der Natur erlernen, sondern auch Überlebenstechniken in der Natur für jüdische Kinder. Das ist nicht dasselbe, sagten sie.

Weiterlesen im Original oder in der Übersetzung
aus dem Spanischen
von Luis Ruby

 

Eduardo Halfon @ David Herranz

Stefano Jorio

Stefano Jorio wurde 1971 in Jesi (Italien) geboren. Er hat die Romane »Radiazione« (minimum fax, 2010) und »Berlin Song« (Transeuropa, 2023) veröffentlicht. Er hat für die Zeitschriften L’Indiscreto, Antinomie, Micromega, Alfabeta2, Il Tascabile und pagina 99, die zu den namhaftesten Kulturzeitschriften Italiens gehören, über Literatur, Kino, Politik und Philosophie geschrieben. Als Berater zweier italienischer Verleger hat er deutsche Romane empfohlen und übersetzt (R. Goetz, »Johann Holtrop«; R. Schernikau, »Kleinstadtnovelle«; R. Schimmelpfennig, »An einem klaren, eiskalten Januarmorgen«; J. Wassermann, »Etzel Andergast«). Er lebt seit dreizehn Jahren in Berlin.

Stefano Jorio: »Der Traumpalast«

Mein Job war nicht besonders kompliziert. Ich musste jedes einzelne Detail der Reisen und Empfänge Seiner Exzellenz organisieren, die Arbeit der sieben italienischen Kulturinstitute in Deutschland koordinieren, mit besonderem Augenmerk auf das Berliner Institut (das sich linksseitig im Erdgeschoss unseres Gebäudes befand), zu den Empfängen der internationalen Diplomatie gehen und um jeden Preis vermeiden, dass sich die Edelsteine in den Manschettenknöpfen mit der Farbe der Krawatte bissen.

Weiterlesen im Original oder in der Übersetzung
aus dem Italienischen von Laura Strack

 

Stefano Jorio © privat

Pedro Kadivar

Pedro Kadivar ist in Shiraz (Iran) geboren und flüchtete als 16-Jähriger nach Frankreich. Nach dem Abitur hat er in Paris Literatur und Theaterwissenschaft studiert. Beeindruckt von Berlin und seinem Treffen mit Heiner Müller ließ er sich später in Berlin nieder. 2002 promovierte er über Proust am Institut für Romanistik der Humboldt Universität zu Berlin, bevor er sich wieder seiner Arbeit am Theater widmete. Seine Stücke wurden in Frankreich, in Deutschland und in England gespielt, wofür er mehrere Preise erhielt. 2018 erschien in Deutschland sein »Kleines Buch der Migrationen« (aus dem Französischen von Gernot Krämer) und 2023 sein Roman »Unendlich ist die Nacht«. Im April 2024 wurde sein Stück »Ich höre euren Atem« in seiner Inszenierung in Erfurt uraufgeführt.

Pedro Kadivar: »Letztes Jahr im Land der Geburt«

Die Erinnerung daran kehrte manchmal wieder, aber nicht das Bild als solches mit der ganzen Last jener Zeit. Ich glaubte es zwar nicht vergessen, aber einsortiert zu haben. Ordentlich und angemessen einsortiert, ad acta gelegt und weggesperrt in seiner ganzen Seltsamkeit. Und plötzlich taucht es wieder auf mit der ganzen Dichte jener Zeit, als es in mein Leben trat, in jenem letzten Jahr im Land meiner Geburt.

Weiterlesen im Original oder in der Übersetzung
aus dem Französischen von Gernot Krämer

 

Pedro Kadivar © Bariran

Furhad Khan

Furhad Khan wurde in England geboren und lebt seit 2019 in Berlin. Er stand 2017 auf der Shortlist des WriteNow-Programms von Penguin Random House und wurde 2023 mit dem W&A Working Class Writer’s Prize ausgezeichnet. Anhand von Charakterstudien gewöhnlicher Menschen, die am Rand der Gesellschaft leben, untersucht er Themen wie Vertreibung, Intersektionalität, Identität und Liebe. Derzeit schreibt er an seinem ersten Roman, »The Drowned Bird«.

Furhad Khan: »Der ertrunkene Vogel«

Das war vor sieben Jahren, diese Version von Ali und Omar gab es nicht mehr und auch dieses Aleppo nicht.
Was wurde aus den anderen, mit denen er nach dem Grenzübertritt ein Zimmer geteilt hatte? Die zahllosen Schultern, an die er sich in kalten Nächten gelehnt hatte. Die müden, verängstigten Gesichter, die er beobachtet hatte, wie sie nicht einschlafen konnten, während draußen der Verkehr donnerte. Befanden sie sich auch noch im Fegefeuer der Warteräume, genau wie er?

Weiterlesen im Original oder in der Übersetzung
aus dem Englischen von Hannah Pöhlmann

 

Furhad Khan © Kamila Szuba

Anna Melikova

Anna Melikova, Schriftstellerin, Drehbuchautorin, Filmkritikerin und Filmkuratorin. Geboren 1984 in der Ukraine, aufgewachsen auf der Krim, studierte Germanistik in Kyjiw. Seit 2017 lebt sie in Berlin. Sie schrieb das Drehbuch für den Film »Grand Jeté« (Regie: Isabelle Stever, UA Berlinale 2022). Mit dem deutsch-ukrainischen Filmprojekt »My Beloved« hat sie den Kompagnon Fellowship Preis bei Berlinale Talents 2023 erhalten. Ihre Prosatexte erschienen in diversen Magazinen und Anthologien in verschiedenen Sprachen. 2022 war sie Stipendiatin des LCB, Werkstatt Prosa. Ihr Debütroman »Ich ertrinke in einem fliehenden See« erscheint im Herbst 2024 bei Matthes & Seitz. Mit ihrem nächsten Roman »Lieder aus dem Totenreich« ist sie Stipendiatin des Berliner Senats geworden.

Anna Melikova: »Lieder aus dem Totenreich«

Anfangs gab es nichts, was auf den Tod (im Gegensatz zum Leben) von A. hindeutete. Im Gegenteil. Als wir uns kennenlernten, hatte er an allem ein reges Interesse. Stundenlang konnte er aufzählen, was er gerne mochte. Über Empfindungen zu reden. Über die Überlegungen, die diesen Empfindungen folgen. Den Unterschied zwischen der russischen und der französischen Sprache zu erklären. Vor mir das Herbarium seines Gedächtnisses auszubreiten, das sich vor meinen Augen mit Leben und Gerüchen füllte. Atmen Sie tief ein, wies er an. Riechen Sie das? Das ist der Geruch von Waldrosmarin.

Weiterlesen im Original oder in der Übersetzung
aus dem Russischen von Irina Bondas

 

Anna Melikova © Sophie Kandaouroff

Marija Pavlović

Marija Pavlović (Leskovac, 1984) ist eine serbische Autorin mit drei veröffentlichten Büchern: »Horrorgeschichten des Alltags« (Matica srpska, 2014), »24« (Partizanska knjiga, 2018) und dem Kinderbuch »Zig-Zaga und Roda Boda« (Kreativni centar, 2021). Ihr Roman »24« wurde ins Deutsche übersetzt und erschien 2022 im Drava Verlag. Ihre Gedichte, Essays und Kurzgeschichten wurden in verschiedenen serbischen und internationalen Zeitschriften in Originalsprache oder Übersetzung veröffentlicht. Marija lebt und arbeitet in Berlin, wo sie derzeit ihre Promotion in Vergleichender Literaturwissenschaft an der Freien Universität Berlin abschließt.

Marija Pavlović: »Regelbuch«

Schon seit der Vorgroßwellenzeit galten die alturuguayischen Zollbeamten als die strengsten. Sie befand sich im Magazin für beschlagnahmte Waren und wartete auf den Kapitän, der mit dem Zoll vor der Abreise eine protokollarische Vereinbarung abgeschlossen hatte. Um sie herum waren Dinge nach Kategorien auf Regalbrettern sortiert: Edelsteine, Schmuck, Waffen, Medikamente, Pflanzen, Pflanzensamen, pornografisches Material, entflammbare Substanzen, Lebensmittel, Antiquitäten sowie endlose Listen des beschlagnahmten Inventars.

Weiterlesen im Original oder in der Übersetzung
aus dem Serbischen von Elvira Veselinović

 

Marija Pavlović © Miljana Niković

Óscar Perdomo

Óscar Perdomo ist Dichter, Autor und Mediävist, geboren 1991 in La Plata, Kolumbien. Er studierte Geschichte an der Universidad de los Andes in Bogotá und promoviert derzeit an der Freien Universität Berlin zur Geschichte des Frühmittelalters. 2014 nahm er an der Anthologie »Memorias de Barrios in Santiago de Chile« teil. 2015 veröffentlichte er in Bogotá seinen ersten Roman »El dios de los herejes« (»Der Gott der Ketzer«). 2017 erschien sein historisches Werk »Las señoras de los indios« (»Die Damen der Indianer«). 2020 wurde sein Roman »La vanidad salvaje« (»Die wilde Eitelkeit«) beim Clarín-Romanwettbewerb in Buenos Aires als Finalist ausgezeichnet. Seine Hauptthemen sind der Heiligenkult und die Entwicklung der westlichen Spiritualität.

Óscar Perdomo: »Jupiter 3«

Carlos war überzeugt, dass in dem Augenblick, in dem Alexander von Humboldt seine Haut von seiner loslöste, sein Leben vorbei wäre. Er brauchte Humboldts Hände. Und dessen rechte Hand fuhr nun in Richtung seiner Beine hinab und öffnete die Kordel, die seine Hose zusammenhielt. In der Stille war das Schnippen des Stoffes genau zu hören. Carlos fürchtete, die anderen könnten etwas merken. Es war jedoch auch möglich, dass die anderen bereits tot waren. Vielleicht waren nur noch sie beide am Leben.

Weiterlesen im Original oder in der Übersetzung
aus dem Spanischen von Monika Raič

 

Óscar Perdomo © Tomaso Baldessarini

அவ்ரீனா பிரபலா-ஜாஸ்லின் / avrina prabala-joslin

அவ்ரீனா பிரபலா-ஜாஸ்லின் / avrina prabala-joslin (1992, Tamil Nadu) oder (avrina und die Unsichtbaren) sind viele Dichter ∙innen, Geister und Stimmen, die sich einen Körper teilen. Sie schreiben über Orte, Wesen und Zeiten. Besessen von Erinnerungen, die durchdringen und sich entziehen, oft aus der Kindheit, ist avrina ein Auf und Ab der Sehnsucht nach dem Meer. avrina gewann den Short Fiction / University of Essex International Short Story Prize und ist mit ihren Werken für den Indiana Review Fiction Prize, den Radical Art Review Contest, den Berlin Writing Prize und den Desperate Literature Short Fiction Prize nominiert. Als bardische∙r Dichter∙in hat avrina unter anderem bei MbIFL Kerala, Bangalore Literature Festival, poesiefestival Berlin und Prosanova Hildesheim gelesen.

அவ்ரீனா பிரபலா-ஜாஸ்லின் / avrina prabala-joslin: »wildeskind«

wenn du die stärke der erde wirst,
lass die wahrheit hinter dir, käfig in deinem auge.
du batst um das versprechen eines sees :::
in der mitternachtsmesse im wald, eine kirche von jasminkränzen
schwarzer krähen

Weiterlesen im Original oder in der Übersetzung
aus dem Englischen von Léonce W. Lupette

 

avrina prabala-joslin © David Olutola

 Zhou Qing

Zhou Qing wurde 1964 in Xian in der Provinz Shaanxi geboren. Er ist Journalist, Sachbuchautor und politischer Berichterstatter, außerdem Spezialist für Oral History. 1989 wurde er wegen Beteiligung an der Demokratiebewegung zu zwei Jahren Gefängnis verurteilt. Sein Buch »What Kind of God: A Survey of the Current Safety of China’s Food« (»Wovon soll sich unser Volk in Zukunft ernähren – Skandale um Lebensmittel«) wurde zum internationalen Bestseller. Zhou Qing befasst sich u. a. mit sozialen Brennpunkten in China, so z. B. in seinen Büchern »Krisen des Gesundheitswesens«, »Exil im Heimatland« und in einer Sammlung von Interviews mit Drogenabhängigen. Mittlerweile lebt er in Berlin und arbeitet an einem neuen Dokumentarfilm über das „anti-hoodlum-movement“ (1983), eine künstlerisch-soziale Bewegung aus Xi’an/China.

 Zhou Qing: »Unter lebenden Toten«

Mit dieser Geschichte wage ich es, für all die längst verstummten Münder zu sprechen, für all die Münder, die aus Hunger und Durst oder im Tode offen standen, für den Mund, der wegen der Bitte um eine Zigarette mit einem elektrischen Schlagstock blutig gefoltert wurde, und für die vielen Münder der „lebenden Toten“, die ge-genwärtig in Chinas Gefängnissen ihren Mund schließen und ihn nie wieder aufmachen können, um zu fragen:
„Warum bist du hier?“

Weiterlesen in der Übersetzung
aus dem Chinesischen von Karin Betz

 

Zhou Qing © Ai Weiwei

Jade Samson-Kermarrec

Jade Samson-Kermarrec, geboren 1987 in Paris, lebt seit 2013 in Berlin. Als Regisseurin und Kuratorin gründete sie 2018 den deutsch-französischen Verein ›Theater im Nu‹ und 2022 das Theaterfestival ›Le Lampenfieber‹. Seit 2021 ist sie Mitglied des Netzwerks französischsprachiger Autorinnen in Berlin und beteiligt sich aktiv an Initiativen wie ›Hôtel des Autrices, Calendrier de l’Avent‹ und ›La Colec‹. Ihre Texte erschienen in Magazinen wie Stadtsprachen, Débridé und Konfluence. 2024 inszeniert sie die Produktion »Grenouille ©« mit dem Ensemble von Theater im Nu e.V. und arbeitet parallel an ihrem Kurzroman »In Space no one can hear you scream«.

Jade Samson-Kermarrec: »Jäger à gogo«

Nein, ich sehe nicht aus wie ein Welpe. Ein Welpe ist süß. Ich aber bin nur eine alte betrunkene Tussi. Nicht eine Sekunde lang ist das cute, nur pathetisch. Und in diesem Moment, als ich in der ranzigen und verrauchten Bar stehe, in der das Bier so gut wie nichts kostet und ein Jäger nach dem anderen fließt, gestehe ich mir ein, was ich tief im Inneren schon weiß: Ich bin unglücklich.

Weiterlesen im Original oder in der Übersetzung
aus dem Französischen von Mira Lina Simon

 

Jade Samson-Kermarrec © Alain Barbero

360