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Lukas Kofoed Reimann: »Badewannen-Verbundenheit«
Lukas Kofoed Reimann

Lukas Kofoed Reimann: »Badewannen-Verbundenheit«

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Badewannen-Verbundenheit

Aus dem Englischen von Tobias Rothenbücher

Ich liege in meiner Badewanne und schaue mir Videos von Sam Smith auf YouTube an. Das warme Wasser befriedigt mein Bedürfnis nach Berührung, das ich oft allzu leicht vernachlässige. Ich betrachte Sams Hüften, das weiche Gesicht und erkenne mich wieder. Nicht nur das Ich aus meiner eigenen Vorstellung, das Ich und der Körper, die schon immer in meinem Kopf waren, sondern auch den Körper, der in meiner Wanne liegt. Den Körper, der im Spiegel zu sehen war, als ich mich gestreckt habe, während meine Wanne sich füllte. Sam Smiths Körper, anerkannt durch professionelle Videos, die Millionen Menschen sich ansehen, verleiht meinem Körper Ruhe. Das ist nicht die Sehnsucht, in der ich so oft gelebt habe, sondern eine Art Ankommen.

Der weiße tränenförmige Ohrring vor dem kurzgeschorenen Haar, der sauber gestutzte Bart geben meinem eigenen Körper die Erlaubnis zu sein. Die Freude an meiner eigenen Feminität ist mir durch Sams Freude gestattet. Sams Hüften erlauben es meinen eigenen, breiter zu sein als meine Schultern, sich weicher zu bewegen, als es erwartet wird. Sams weicher Bauch, Sams schönes Lächeln erlauben mir, mich selbst auf diese Art zu sehen. Als geliebter Körper, den man auf schönen Bildern gern vorzeigt. Ein Körper, der es wert ist, in ihm zu sein. Um diese Erlaubnis habe ich nicht gebeten, doch sie lindert ein Verlangen, das tief in mir lebt.

Im Wasser ist mein Körper nicht ambivalent, mehrdeutig, kompliziert – er ist in seiner Queerness leicht zu lesen. Da ist nichts, womit ich unzufrieden bin, nichts, wonach ich streben müsste, nur ein Mensch, der mit einem anderen durch einen kleinen Bildschirm verbunden ist. Ein Mensch, der so greifbar ist wie ich. Eine Person, deren Musik ich zusammen mit meiner Großmutter im Café gehört habe, eingebettet in den endlosen Stream aus Popmusik. Dann ein plötzliches Wiedererkennen, das mich mit dem Drang erfüllte, in die Welt hinauszurufen, dass die Person, der gerade alle Leute zuhörten, genauso ist wie ich. Da ist noch ein queerer Mensch, noch ein Ausreißer, dem sie Raum geben. Ich sitze hier vor meiner Cola, meine Großmutter blickt ruhig über den See draußen vor dem Fenster, und ich bin stolz durch Sam. Stolz auf Sams Erfolg und Mut. Stolz, dass wir irgendwie zu einer Familie gehören, dass wir verbunden sind, dass wir uns ineinander spiegeln und dass uns das Kraft gibt. Wir werden uns nie begegnen, aber wir wissen, wir sind irgendwo dort draußen. Wir wissen, wir sind nicht allein und wir sind nicht unsichtbar.

 

»Bathtub Kinship« wurde im Original veröffentlicht auf www.orangesjournal.com.

 


 

Lukas Kofoed Reimann is a writer, scholar, and editor who lives in Berlin. His writing is often concerned with questions of identity and belonging, and his current project explores his experiences of transition and chronic pain in particular. He is a passionate reader of all kinds of trans* literature and continually hopes to empower others to tell their stories. In 2019 he wrote his master’s thesis on trans* autobiography and kinship at Humboldt University. Recently his work has been published in English in Overcom and in Danish in Trappe Tusind, and his text »Undiagnosed« was selected as a runner up for the Berlin Writing Prize 2022.

 

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