南方之海,及岸上的人們
來到島嶼的南端,距離北方首都臺北,不過是數小時的車程。臺灣,小小的一座島嶼,歷來處於奇妙的政治張力之下,而島嶼的存在卻是好久以前的事情了。生活在充滿衝突的世界裡,我們所立足的地方,不過是一片自然的野地。野地上生出文明,文明而又帶來歸屬。我們並不清楚,世界一家究竟是怎樣的一種狀態。處處是邊界,其實連海洋也有邊界。
來到島嶼的南端,妳看見遼闊的海洋。再過去一些,就是呂宋島,也就是菲律賓了。站在東南亞與東北亞的交界,妳更加感到那邊陲的感覺。不知道十九世紀末,當德國登山家史脫貝(Karl Theodor Stöpel, 1862-1940)飄洋過海,來到這座剛剛被日本統治的島嶼時,他是帶著怎樣的心情,踏上那座接近四千公尺的最高峰?在更早的十七世紀,荷蘭人統治的那三十八 年,南方安平港的混血女孩金小姐,又是如何帶著她那令人羞愧的血統,度過漫長的一生?
「島嶼」一詞,在德文是陰性,我也時常感到台灣這座島嶼的陰性特質。這裡的女性總是非常堅毅,扛起了生命歷程中的種種事務。她們在夾縫中生存著,在兩個板塊相互推擠之中,突起而產生力量。直到婦女運動過後,才漸漸獲得一些空間,得以喘息。那段風起雲湧的日子,從台灣解嚴前到解嚴後,應運而生的還有 1994 年創立至今、屹立於臺北的那間女書店(fembooks bookstore)。今天,在台灣的同志可以理所當然地結婚,然而那觀念,卻要好多個十年的光陰,才得以完成。
教書的時候,我時常看見自由自在的時代青年,他們看似沒有包袱,實際上,每個人的身體裡都留著時代的印記。那些印記來自家庭,來自這座連名字都難以稱說的島嶼。
在世界周遊一圈,而後回望自己所生活的島嶼,我們可以說,這裡的人是勤奮的,有時甚至勤奮地過了頭。有些人忘了抬頭看看海洋之外的地方,有些人則望洋興嘆,發現自己永遠地被困在小小的村莊裡。也有的人,將海洋視為冒險或逃逸的路途,一去,便不知去向。
停泊在港灣的船,不知道會出去多遠?我記得這座島上的漢人祖先也是這樣,在亂世之中,自中國沿海搭上了一艘不知名的船,就此告別家鄉、飄洋過海,而後不斷越界,在眾多的島嶼當中,最終選擇了臺灣。而他們的子孫,則繼續背負著斷裂的國族史、家族史,像一只蝸牛的殼,而後創造出屬於他們那一代的集體生命史。
Das Meer des Südens und die Menschen an seinem Ufer
Von Taipei, der Hauptstadt im Norden, sind es nur wenige Stunden Autofahrt bis zur Südspitze Taiwans. Taiwan, dieses Inselchen, stand seit jeher unter ganz großartiger politischer Spannung, nichtsdestotrotz existiert es bereits eine ganze Weile. Lebt man in einer Welt voller Konflikte, kann der Ort, an dem man steht, nichts anderes sein als eine natürliche Wildnis. Aus der Wildnis wird die Zivilisation geboren, und mit der Zivilisation wiederum kommt das Zugehörigkeitsgefühl. Noch wissen wir nicht, wie es letzten Endes um die Weltfamilie stehen wird. Alles hat Grenzen – sogar der Ozean.
Am südlichen Ende der Insel angelangt, kann man das weite Meer sehen. Ein bisschen dahinter noch liegt Luzon, die Philippinen. Steht man hier, an der Trennlinie zwischen Nordost- und Südostasien, spürt man die Grenzen noch stärker. Mit welchem Gefühl wohl Karl Theodor Stölpel, der deutsche Bergsteiger, im 19. Jahrhundert den Ozean überquerte und auf diese Insel kam, auf der eben die Japaner die Herrschaft übernommen hatten, um seinen Fuß auf ihren höchsten Gipfel von beinahe 4000 Meter zu setzen? Wie hat Fräulein Jin, dieses Mädchen gemischter Abstammung aus dem Anping-Hafen im Süden, noch früher, im 17. Jahrhundert, in den achtunddreißig Jahren in denen die Holländer hier regierten, die Scham ihrer Herkunft ein Leben lang ertragen? Ich weiß es nicht.
Im Deutschen ist das Wort „Insel“ weiblich, und oft spüre ich die femininen Qualitäten Taiwans. Die Frauen hier waren immer schon resolut, jegliche Last, die ihnen das Leben auferlegt, tragen sie. Sie existieren in einem Riss, dort, wo sich zwei tektonische Platten übereinander schieben, das macht sie besonders, daraus erwächst ihre Stärke. Erst seit der Frauenbewegung haben sie etwas Platz zum Atmen. In den turbulenten Tagen bevor Taiwan das Kriegsrecht aufhob, wurde die historische Gelegenheit ergriffen und in Taipei der nun seit 1994 existierende Buchladen »fembooks« gegründet. Heute können gleichgeschlechtlicher Paare in Taiwan heiraten, so wie es sein sollte, aber um das zu erreichen, brauchte es mehrere Jahrzehnte.
Wenn ich unterrichte, fällt mein Blick oft auf die Jugendlichen dieser sorglosen Ära, sie wirken so unbeschwert. Aber in Wahrheit tragen wir alle die Zeichen der Zeit in unseren Körpern. Spuren hinterlassen von unseren Familien. Spuren hinterlassen von dieser Insel, die man nicht einmal bei einem ihrer Namen nennen kann.
Nachdem ich einmal die Welt umrundet habe und auf meine Heimat zurückblicke, so kann ich sagen, dass die Leute hier hart arbeitende Menschen sind, zu hart beinahe, manchmal. So manch einer vergisst den Kopf zu heben und sich umzusehen, was es außer dem Ozean sonst noch gibt, wieder andere starren aufs Meer, fühlen sich dabei bedeutungslos und klein und erkennen: Sie sind für immer in ihren winzigen Dörfern gefangen. Aber es gibt auch jene, die im Ozean ein Abenteuer sehen, einen Fluchtweg, doch kaum sind sie aufgebrochen, wissen sie nicht mehr wohin.
Weiß das in der Bucht ankernde Schiff nicht, wie weit es hinausfahren wird? Ich denke daran, dass die Vorfahren der Han-Chinesen hier es genau so machten. In schweren Zeiten bestiegen sie an Chinas Küste ein unbekanntes Boot, verließen ihre Heimat, stachen in See, überquerten eine Grenze nach der anderen, und wählten aus vielen Inseln eine aus: Taiwan. Und ihre Nachfahren tragen heute noch diese zersplitterte National- und Familiengeschichte gleich einem Schneckenhaus mit sich herum, und bauen daraus die kollektive Geschichte des Lebens ihrer Generation.
Übersetzung: Cornelia Travnicek
The Southern Sea and the People on the Shore
The southern tip of the island is only a few hours drive from Taipei, the capital in the North. Taiwan is a small group of islands which historically have been under intriguing political tension. However, its existence dates back to a long time ago. In a world full of conflicts, the place where we stand is nothing but a land of natural wilderness. In this wilderness a civilization was born, and this civilization brought a sense of belonging. We are not sure what the concept of a world family means. The ocean also has boundaries.
When you get to the furthest southeastern point of Southeast Asia, you can see the immensity of the ocean. If you go a little further ahead, then you can spot Luzon Island, and that’s already Philippine territory. When you stand at the intersection between Southeast and Northeast Asia, you can really feel this grandness even more. I wonder what compelled the German mountaineer Stöpel (Karl Theodor Stöpel, 1862-1940) to cross the ocean and come to the island at the end of the 19th century, when it was ruled by Japan, and set foot on its highest peak of nearly four thousand meters. Even earlier, in the 17th century, during the 38 years of Dutch rule, how did Miss Jin, a multiracial young woman from Anping Port, live such a long life with her “shameful” bloodline?
The women here have always been very determined and take every matter of their lives in their own hands. They survived in the cracks, and it was not until after the women’s movement that they slowly started gaining some space to catch their breath again. The years of martial law in Taiwan were turbulent times, and after it was over, a women’s bookstore called “fembooks” was established in Taipei in 1994, having emerged as a demand of that historical time. Nowadays, gay people in Taiwan can rightfully get married, but this whole concept took over ten years to be brought to fruition.
When I was a teacher, I often saw the young people of that generation as being so free and unrushed. They looked as if they had no burdens to carry in their lives. The truth is, everyone carries the scars of their generation on their bodies.
After having travelled around the world, I look at the island where I live and realize that the people here are hard-working, in fact sometimes too hard-working. Some people sigh and bemoan their insignificance when they find themselves trapped in a small village forever. But some people see the ocean as an adventure or as an escape route which one may thread not always knowing where it may take.
An anchored ship in a harbor does not know how far it can go. I remember that the ancestors of the Han people on the island have always been like this. In troubled times, they boarded a fleet of nameless boats on the Chinese coast, said goodbye to their hometowns to cross the ocean and countless borders. Among many islands, they eventually chose Taiwan. Their children and grandchildren continue to carry their interrupted national and family history, much like a snail carrying a shell, creating the collective life history of their generation.
Translation: Camila Felix Pessoa