LCB
Elena Pallantza

Elena Pallantza

Bonn, Deutschland

Zu Gast im LCB:
Oktober 2020

Elena Pallantza, 1969 geboren, ist Gräzistin, Autorin und Übersetzerin aus dem Deutschen ins Griechische und umgekehrt. Sie ist Herausgeberin einer Anthologie junger deutscher Lyriker·innen in griechischer Übersetzung, Übersetzerin u.a. von Jannis Ritsos, Danae Sioziou und Dimitris Eleftherakis (Verlag Reinecke & Voß). An der Uni Bonn gründete sie den Übersetzungskreis LEXIS, der 2019 den griechischen Staatspreis für Literarische Übersetzung erhielt. Sie lebt in Bonn und Athen. Mit freundlicher Unterstützung durch litrix.de und das Goethe-Institut.

Elena Pallantza © privat

»Aussteigen, Stille, die Sicht wird klar«

Woran arbeitest du gerade?
Ich übersetze Bettina Wilperts Debütroman „Nichts, was uns passiert“ (Verbrecher Verlag, 2018) im Rahmen des Übersetzerförderprogramms Litrix.de ins Griechische. Er handelt von einer Vergewaltigung im Leipziger Studentenmilieu, die als solche vonseiten der Frau behauptet, aber vom Mann bestritten wird. Der „Vorfall“ wird aus den unterschiedlichsten Blickwinkeln beleuchtet, es gibt kein eindeutiges moralisches Urteil, vielmehr wird dadurch die Unmöglichkeit eines Urteils zum Thema offenbar. Noch vor dem Beginn der MeToo-Bewegung konzipiert und realisiert, ist das inzwischen mehrfach ausgezeichnete Buch jetzt hochaktuell.

Wie beeinflusst dein Aufenthalt im LCB deine Arbeit?
Es erklärt sich von selbst, dass ein solcher Aufenthalt die optimalen Bedingungen für ein konzentriertes, effektives Arbeiten schafft: weit weg vom eigenen Alltag, selbstbestimmte Rhythmen, nur gewollte Unterbrechungen, keine überflüssigen Aktivitäten. Aussteigen, Stille, die Sicht wird klar. Und dann noch dieser bezaubernde Ort: das Haus, der Garten, der bis zum Wasser reicht, die Schönheit der Räume, die Details. Der Blick aus dem Fenster. Ganz zu schweigen von der unmittelbaren Umgebung – dem Kleist-Denkmal, der Villa der Wannsee-Konferenz, der Liebermann-Villa – oder vom kulturellen Angebot im LCB, vom Austausch. Von der Möglichkeit, in die Stadt zu fahren, und wieder hierher zurückzukommen. Als führte diese Reizflut in eine seltsame Intensität der Wahrnehmung – ich konnte vom ersten Moment an in diesen einmaligen Zustand eintauchen.
Ich bilde mir ein, ich habe hier für meine Arbeit wichtige Entscheidungen getroffen, zum Beispiel den Erzählton erfasst und umgesetzt.

Welche Erfahrungen wirst du mit nach Hause nehmen?
Ich habe auch zu Hause glücklicherweise die Möglichkeit, mich an Orte zurückzuziehen, an denen ich konzentriert arbeiten kann. Aber ich werde mit Sicherheit noch bewusster die Natur in meinen Arbeitsalltag lassen, ihre Nähe suchen, Pausen anders gestalten. Man vernachlässigt das viel zu leicht.

Das Interview wurde im Oktober 2020 geführt.

Elena Pallantza im Oktober 2020 © LCB

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