最後的微笑
1950年代,是大逮捕的年代。自中國(國共)內戰失敗撤退的國民黨佔領了台灣,實施軍事統治,大量搜捕政治反對者。被捕的人在「判決」之前,禁止與親人見面。而所謂的「審判」則是不公開的秘密審判。從被捕到宣判,短則幾個月,長則一兩年,假如判決的結果是死刑,這就意味著,從秘密逮捕到秘密槍決,這漫長等待的年月裡,痛苦的親人最終盼到的不是會面,不是訣別,而是一紙令人驚駭心碎的「領屍通知書」。
秘密逮捕,秘密審訊,秘密判決,秘密槍決,形同謀殺。
死刑犯槍決後,一律送往國民黨特許給黑道經營的「極樂殯儀館」。家人握著領屍單,自「福馬林池」的惡臭中,撈出至親的遺體,還須付出五百元的「領屍費」,相當於公務員兩個多月的薪水。付不出領屍費的貧困者,隻身在臺的外省籍人士,遺體送往軍方的「國防醫學院」,供解剖研究之用。
多年來,沒有人知道這些失蹤者的下落。直到一九九三年,有人在台北市的亂葬岡發現了一堆凌亂的墓碑群(相片前景中,傾斜的石碑)。這些被遺忘的死者,多年後浮出歷史地表——在他們死後大約四十年——在一個叫做「六張犁」的地方、被鍥而不捨的家屬找了出來,總共兩百零一位。
發現亂葬岡的人,名叫曾梅蘭,他自身也是一個政治犯,1950年被捕,坐牢十年後出獄,自1960年代開始尋找被槍決大哥的遺體,找了三十幾年。
為了向獨裁者交差,每一個死刑犯都被「當局」拍下「生前,死後」的相片,給「上面的人」,尤其蔣介石過目。政治犯「槍決後的模樣」甚且再行複製,張貼於人來人往的通衚大道,以收恫嚇之效。獨裁者的門徒做完「結案報告」,將照片與檔案封存於遺忘之中,再不聞問。
終於,檔案解禁、公開了。但是,當眾人見到政治犯臨刑前的肖像,最感到震撼不解的是:為何有那麼多人竟然在笑?馬上就要被槍決了不是嗎?甚至,有些人,他們的笑容竟然如此開朗?簡直可以「輕鬆」、「燦爛」來形容。
政治犯槍決前的微笑,成為一則高貴的謎題。許多人說,那是「烈士」的笑容,唯有堅強的信念,足以超越世俗的死亡恐懼。很長一段時間,我也是這麼想的。然而,當我深入閱讀各式各樣的研究、傳記、口述、檔案,對自己原本的「確信」反而深感懷疑。身為一個可以擁有「後見之明」的人(得以接觸近幾年不斷釋出的檔案與文件),我們最大的優勢,或許在於,我們知道得越多,就越清楚自己「所知有限」。
——那些攝影官是誰?他們是否在刑前,對死刑犯說了什麼話?死刑犯露齒而笑的一瞬間,腦中閃過的是無上的信仰?無痛的天堂?還是最摯愛的人?是理想還是解脫?是家人還是愛人?……我們無法「神入」死者的內心,也沒有資格將自己的癡心妄想投射給逝者(他們已盡力活過了自己的一生,付出了所有的代價),我們能做的或許是,珍惜那些最後的微笑,讓它們保有「神話」的力量。
閱讀神話不能急。過於急切地試圖解讀神話,往往會讓它黯然失色、暗啞無聲。義大利小說家卡爾維諾給我們的提醒是,「最好讓神話在記憶中沈澱,佇足觀察它的所有細節……。可以讓我們得到啟發的是閱讀神話故事時的所見所聞,而非我們加諸在它身上的穿鑿附會。」
政治犯槍決前的神秘微笑,是他們留給世人、留給台灣的、珍貴的神話。如果我們能夠節制「詮釋的衝動」,就能收斂一切的武斷,讓神話因為保有其「神祕性」,而保有獨特的力量,耐心地,等待神話釋放自己的意義。
Das letzte Lächeln
Die Epoche der 1950er auf Taiwan war gekennzeichnet von Massenverhaftungen. Als die KMT in China den Bürgerkrieg (zwischen der Kuomintang und der kommunistischen Partei Chinas) verloren hatte, musste sie mit ihrer Armee den Rückzug antreten. Sie besetzte Taiwan und setzte dort ihre Militärregierung durch, wobei es zu Massenfestnahmen politischer Gegner kam. Die Verhafteten durften vor ihrer Verurteilung selbst ihre engsten Familienangehörigen nicht mehr sehen. Die sogenannten „Gerichtsprozesse“ fanden unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Es waren Geheimprozesse. Von der Inhaftierung bis zur Verurteilung dauerte es, wenn es eine kurze Zeitspanne war, einen Monat, war es eine lange, gingen zwei Jahre dabei drauf. Insofern das Urteil Todesstrafe lautete, bedeutete es für den Verurteilten, dass er auf direktem Weg von der geheimen Haftzelle zur geheimen Exekution durch Erschießen geführt wurde. In diesen langsam vorbeigehenden Jahren und Monaten des Wartens konnten die leidenden Angehörigen nicht darauf hoffen, ihren Familienangehörigen noch ein letztes Mal zu sehen, um endgültig Abschied zu nehmen. Sondern es erwartete sie die sie in Angst und Schrecken versetzende, ihre Herzen brechende Benachrichtigung darüber, dass sie die Leiche abholen konnten.
Geheimverhaftungen, Geheimverhöre, Geheimverurteilungen, Geheimexekutionen durch Erschießen sind nichts anderes als kaltblütiges Morden.
Nachdem der zum Tode Verurteilte erschossen worden war, kam er auf direktem Weg ins „Elysium“, in eine Leichenhalle, die von der Mafia betrieben wurde, die für dieses Gewerbe von der KMT eine Sondergenehmigung besaß. Die Familienangehörigen hatten ein Leichentuch dabei und fischten aus einer mit Formalin gefüllten, entsetzlich stinkenden Wanne die Leiche ihres Angehörigen heraus. Darüber hinaus hatten sie eine Gebühr in der Höhe von 500 Taiwan-Dollar, die Leichen-Ablösesumme, ein Betrag in der Höhe zweier Monatsgehälter eines Beamten, in bar zu zahlen. Arme Leute, die dieses Geld nicht aufbringen konnten, wie zum Beispiel Angehörige von Familien vom chinesischen Festland, die auf Taiwan keine Verwandten besaßen, trugen den Leichnam zum Militär, ins National Defense Medical Center, in die medizinische Fakultät der Armeehochschule, wo die Leichen zu Forschungszwecken seziert wurden.
Im Laufe der Jahre konnte niemand mehr nachvollziehen, wo die so Verschwundenen verblieben waren. Dieser Zustand dauerte an bis zum Jahre 1993, als jemand in Taipei ein Massengrab und eine durcheinander stehende Gruppe von Grabsteinen entdeckte (es handelt sich um die umgekippten Grabsteine im Vordergrund auf dem Foto). Die aus dem Gedächtnis radierten Toten tauchten nach diesen vielen Jahren aus den Tiefen der Geschichte wieder an ihrer Oberfläche auf. Seit ihrem Tod waren ungefähr 40 Jahre vergangen an einem Ort, der sich Liu Zhang Li (Sechs-Pflüge-Morgen) nennt, hatte eine Familienangehörige, die beharrlich über all die Jahre immer weitergesucht hatte, zweihundert und eine Leiche ausfindig gemacht.
Zeng Hui-lan hatte das Massengrab entdeckt. Sie selbst ist auch politischer Häftling gewesen. Im Jahr 1950 war sie verhaftet worden und unter Arrest gekommen. Zehn Jahre hatte sie im Gefängnis zugebracht, bevor sie entlassen wurde. Seit 1960 hatte sie ihren großen Bruder, der durch Erschießen exekutiert wurde, gesucht. Hinter ihr lagen mehr als dreißig Jahre ununterbrochenes Suchen.
Um dem Diktator Meldung vom Strafvollzug machen zu können, wurden alle zum Tode verurteilten Staatsverbrecher von Amts wegen vor und nach Eintritt des Todes fotografiert, damit die Amtsleitung, insbesondere Chiang Kai-shek, alles in Augenschein nehmen konnte. Von den Fotografien, die das Aussehen der „Staatsverbrecher“ nach vollzogener Exekution durch Erschießen dokumentierten, wurden Abzüge gemacht, die auf den großen Avenuen und in den Gängevierteln, überall, wo viele Passanten vorbei kamen, zur Abschreckung aufgehängt wurden. Die Jüngerschaft des Diktators verfasste den Abschlussbericht und schloss die Akte. Zusammen mit den Fotos archivierte man diesen Vorgang in den Tiefen des Vergessens.
Endlich wurde das Verbot aufgehoben und die Akte wieder der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Als die Leute die Portraits vom Zustand vor der Hinrichtung zu Gesicht bekamen, war das am meisten Erschütternde und Unerklärliche: Warum lächelten so viele von ihnen? Sie waren doch sofort erschossen worden, oder etwa nicht? Es gab unter ihnen sogar ein paar, deren Lachen richtig fröhlich aussah! Es wäre nicht zu viel gesagt, hätte man ihr Lächeln mit „entspannt“ und „strahlend“ beschrieben.
Das letzte Lächeln des Staatsverbrechers vor seiner Exekution avancierte einerseits zu einem ausgesucht vornehmen Rätsel. Viele ließen verlauten, es wäre das Lächeln wahrer „Helden“, das von einem standhaften Glauben erzählte, der die Größe besaß, die weltliche Angst vor dem Tode zu überflügeln. Lange glaubte ich, dass dies die Wahrheit sein müsste. Dann begann ich, mich damit eingehend auseinanderzusetzen, las wissenschaftliche Aufsätze zu diesem Thema, las Biografien, las Aufzeichnungen mündlicher Berichte, arbeitete Akten durch und begann, zu bezweifeln, dass das, wovon ich ursprünglich überzeugt gewesen war, stimmte. Weil mir gegeben war, rückblickend längst Vergangenes zu beleuchten (dadurch, dass ich Zugang zu Akten und Dokumenten bekam, die in den letzten Jahren in steter Folge freigegeben wurden), hatte ich viele Vorteile. Was mich am meisten voranbrachte, war, dass ich, umso mehr ich erfuhr und verstand, umso deutlicher begriff, dass mein „Wissen begrenzt“ war.
Wer waren die Fotografen gewesen? Hatten sie vor der Exekution mit dem zum Tode Verurteilten gesprochen? Als er lächelte und dabei die Zähne zeigte, leuchtete da in seinem Hirn dieser unverbrüchliche Glaube auf? Ein Paradies ohne Gram und Schmerz? Oder war da plötzlich das Abbild des Menschen, den er am meisten geliebt hatte? Oder seiner Ideale? Oder einer Idee davon, erlöst zu werden? Sah er im Geiste seine Angehörigen oder seine Geliebte? Wir besitzen nicht die Gabe, in die Seele des Toten zu schauen. Es steht uns nicht zu, unsere eigenen, närrischen Hirngespinste auf die aus dem Leben Gegangenen zu projizieren (Sie haben ihr Leben nach Kräften gelebt. Sie haben bereits bezahlt). Was wir tun können, ist, ihr letztes Lächeln wertzuschätzen. Wir bewahren die Macht des „Mythos“.
Mythen zu lesen, ist nichts, was man im Eilschritt absolviert. Wenn es zu eilig geschieht, wenn man versucht, sie zu entschlüsseln, verlieren sie an Glanz und Farbe. Dann sprechen sie nicht mehr. Der italienische Schriftsteller Italo Calvino erinnert uns daran, indem er schreibt: „Bei den Mythen darf man keine Eile haben. Es ist besser, sie sich langsam im Gedächtnis setzen zu lassen, innezuhalten und jeder Einzelheit nachzusinnen, räsonierend über sie nachzudenken, ohne aus ihrer Bildersprache auszubrechen… Die Lehre, die wir aus einem Mythos ziehen können, steckt in der Wörtlichkeit seiner Erzählung, nicht in dem, was wir von außen dazutun.“ (aus dem Italienischen von Burkhart Kroeber, Hanser, 1991)
Das geheimnisvolle Lächeln unmittelbar vor ihrer Exekution haben die politischen Gefangenen der Nachwelt hinterlassen. Dieses kostbare, mythische Geheimnis haben sie Taiwan hinterlassen. Widerstehen wir dem Impuls, es zu interpretieren, und nehmen wir uns zurück, anstelle selbstherrlich zu urteilen, und lassen dem Mythus sein geheimnisvolles Eigenleben, bewahren seine einzigartige, ihm innewohnende Macht, so können wir uns in Geduld dabei üben, dass er uns seine ureigene Bedeutung preisgibt.
Übersetzung: Martina Hasse
The Last Smile
The 1950s were an era of mass detentions. After losing the Chinese Civil War and occupying Taiwan in retreat, the Kuomintang ruled by military force and arrested huge numbers of political dissidents. While the detained awaited their “judgments,” they were forbidden from seeing family members. And the so-called “trials” they endured were ultimately kept secret and out of public view. The period between arrest and sentencing could last anywhere from a month to one or two years. When the death penalty was handed down, the persecuted went straight from secret detention to secret execution. Their suffering family members could neither meet them nor say farewell, even after the long wait. All they could anticipate was a horrifying and heartbreaking piece of paper: the corpse retrieval notification.
Secret detentions, secret trials. Secret judgments, secret executions. All in all, it was no different from murder.
After the prisoners were executed, their bodies were sent to the Elysium Funeral Home operated by the underworld and sanctioned by the KMT. Family members would come with their corpse retrieval slips and fetch the bodies of their loved ones from noxious pools of formaldehyde. They still had to pay a “corpse fee” of NTD 500, which was more than two months’ salary for a civil servant at the time. As for poor people who couldn’t pay this fee, or deceased mainlanders who had no relatives in Taiwan, the bodies were donated to the military’s National Defense Medical Center for research purposes.
For untold years, the final resting place of the missing remained a mystery. It wasn’t until 1993 that someone discovered the haphazard tombstones of a mass grave in Taipei (the tilted stone monuments seen in the foreground of the photograph). The forgotten dead resurfaced once more from the depths of history in a place called Liuzhangli and, forty years after they’d passed on, were reunited with their families at long last. There were a total of 201 graves.
The mass grave was discovered by a man named Tseng Mei-lan. He had also been a political prisoner, having been arrested in 1950 and jailed for ten years. In the 1960s, he began searching for the remains of his older brother who’d been executed. The search would ultimately last thirty years.
Every death row prisoner was photographed by the “authorities” before and after execution as an attestation to the dictator. These materials were sent to the “higher ups”—particularly Chiang Kai-shek—to glance over. The “post-execution images” of political prisoners were even reproduced and put up in well-trafficked alleys and avenues to intimidate the public. The dictator’s disciples would then prepare their “final reports,” sealing the photos and files into oblivion, never to be seen or heard again.
In the end, however, the files were unsealed and made public. And when people looked at these portraits of political prisoners on the brink of execution, they were shocked and puzzled by one thing: Why were so many of them smiling? Weren’t they about to be executed? How could they look so cheerful? Some of their expressions could even be described as relaxed, their smiles positively sparkling.
The smiles of these political prisoners before their executions became a moral riddle. Many said that these were the smiles of martyrs, and that only a person of strong faith could transcend his fear of death. I believed the same thing for a long time. However, the more I dove into various articles, biographies, oral histories, and archives, the more I began to have doubts about my original “certainty.” As people who have the benefit of hindsight (meaning access to files and documents that have been released in recent years), perhaps our greatest advantage is this: the more we know, the more we realize we don’t know.
Who were the people behind the camera? Did they say anything to the condemned before their executions? Was it supreme faith that flashed in the prisoners’ minds as they grinned before the camera? A paradise without pain? Or were they thinking of their loved ones? Their ideals, their liberation? Their family members, their lovers? It’s impossible for us to know what the dead were feeling then, nor do we have the right to project our own wishful thinking onto them (they lived their lives to the fullest and paid the ultimate price). Perhaps the only thing we can do now is to cherish those last smiles, and allow them to retain the power of myth.
One mustn’t jump to conclusions when reading mythology. Overzealous attempts to interpret a myth can conversely dull and mute it. The novelist Italo Calvino reminds us that “it is best to let myth settle in one’s memory and observe all its details from a state of stillness… It is what we see and understand in a myth that can inspire us, not the far-fetched analogies or explanations that we impose.”
The mysterious smiles of these political prisoners facing execution are a myth that they have left to the living, and to Taiwan. So long as we can control our impulse to interpret, we can pull back ourselves from all kinds of subjectivity and allow the myth retain its mystery—and its unique power. We must wait patiently for the myth to release its own meaning.
Translation: Mike Fu
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13 Freitag
19:00 UhrLiteratur@Taiwan 2023
Pam-Pam Liu, Liglav A-wu und Hu Shu-wen in Lesung und Gespräch
Moderation: Meike Rötzer
Außer Haus: Kultursaal der Taipeh-Vertretung