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Ozan Zakariya Keskinkılıç

Cruising_Keskinkilic_display © privat

es steht mir im gesicht geschrieben, das verlangen. es sitzt gemütlich auf der pupille, es leuchtet den fußweg aus, wie das retina display die aluminiumkanten meiner finger. die letzten 231 meter rase ich in 5g geschwindigkeit bis zu deinem bett. keine sorge, der chip a14 bionic gibt „genug power für so ziemlich alles, was noch kommt“, hat mir die werbung versprochen. ceramic shield um die brust gewickelt mit „viermal besserer sturzfestigkeit“, hat mir die werbung versprochen. zeit für einen testdurchlauf. ich frage mich, wie groß sind 1meter 88, und wie nah 6 centimeter luftraum zwischen unseren haarspitzen. 210 meter, schreib hier wenn du vor der tür stehst. ich lache, haha lache ich. checkst du nochmal aus dem fenster wie süß ich bin? ich schreib dir gleich. 120 meter, ich werde der ausländer im grünen cappy sein. 83 meter, ich werde dich by my haftpflichtversicherungsnummer rufen, so wie du es dir gewünscht hast. 51 meter, ich werde an der straßenlaterne gegenüber stehen, mit einem schild in der hand: i’m here to eat ass. 31 meter, du lachst, haha lachst du. bist du schauspieler? 7 meter, seitenflügel links, zweites obergeschoss. zu viele treppenstufen bis zur offenen wohnungstür. ich esse dich auf bis du einschläfst. haha lachst du, schreie aber bisschen dann. das verlangen, es sitzt gemütlich auf der pupille, es misst deine pixeldichte aus und den kontrast zwischen körper und raum. du in schwarzer unterwäsche, du. im wolfspelz du, im adamskostüm gekniet auf altem holzparkett und das handy in meiner hand wie eine reife frucht vor dem fall. die geschichte wiederholt sich mit aprikosen, ein paradies auf 50 quadratmeter und ich weiß nicht für wie lange. wie findest du meine unterhose?, fragst du. Gott weiß wie, sage ich und greife das wort an der nahtstelle und tausche den stoff ein durch meine lippen. 2 meter zur tür. drinnen stehst du in weißen socken auf altem holzparkett, wie auf den bildern. zwei baumstämme, ein schwarzer slip mit weißem gummiband um die rinde geschnürt. ein ausgewaschenes tshirt und dieser frech verzogene mund. dieser frech verzogene mund, wie auf den bildern. ich stelle mich in die mitte des raumes, nachtmodus zeitraffer, die ultraweitwinkel auf der suche nach mondlichtspuren. welcome, hast du gesagt, hast mir ein glas angeboten und dich gesetzt auf das bett, wie auf den bildern. wie findest du meine unterhose?, hast du gefragt. ich habe es verstanden, ich habe den navi ausgeschaltet, und den flugmodus ein. du im adamskostüm gekniet auf altem holzparkett und das handy in meiner hand wie eine reife frucht vor dem fall. die geschichte wiederholt sich mit aprikosen, ein paradies auf 50 quadratmeter und ich weiß nicht für wie lange. ich sehe alles vor mir liegen wie ein offenes chatfenster: die verpixelte haut unter meinen fingerkuppen. eine ikea-decke, in die ich mich meine brusthaare hinein falte, damit etwas von mir bleibt. lass uns ein letztes screenshot nehmen, zum abschied. 2 meter zur tür, und du lachst, haha lachst du. bist du schauspieler? ich lache, haha lache ich. geschichtenerzähler, ich bin ein geschichtenerzähler. und von dir werde ich erzählen: dein süßer speichel, der mir über die wangen, den hals, den nacken tropft wie regen auf den bildschirm. 31 meter, deine matratze steigt mir in die maske. 51 meter, ich bin nicht dafür gemacht, in mich hinein zu wollen. 83 meter, ich weiß nicht warum, aber ich drehe durch wenn ich die weichen blätter an deinen stämmen sehe. 120 meter, hinterhof auf stumm. ich scrolle dich auf den rücken, ich zoome mich heran. das blaue licht flackert auf unseren schweißtropfen. tab 1, deine youtube playlist. tab 2, eine arte-doku über die iranische revolution. tab 3, ein modelabel, das ich nicht kenne. 231 meter bis zu deinem bett und die haut fühlt sich an wie ein display, das uns voneinander trennt.

 


 

Woraus besteht die Gegenwartsliteratur? Unsere Reihe im Rahmen von »Neustart Kultur« fragt: Woraus ist die deutschsprachige Gegenwartsliteratur gemacht, aus welchen Materialien, Gegenständen und Ideen besteht sie, aus welchen Stoffen gewinnen Texte heute ihre Kraft? Mehr Infos zur Veranstaltungsreihe hier.

Dieser ›Stoff‹ ist Teil von »komm in den totgesagten park und schau: Cruising als kulturelle Praxis«.

Materialsammlung »Stoffe«

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