
Rainer G. Schmidt
Rainer G. Schmidt ist gestorben, einer der profiliertesten Übersetzer englischsprachiger und französischer Literatur. Der junge Mann erregte Aufsehen mit seinen gemeinsam mit Hans Therre publizierten Rimbaud-Übersetzungen (1979/80 bei Matthes & Seitz erschienen), die Reaktionen auslösten, „die zwischen Entzücken und Entsetzen schwankten. Die Buchstaben- und Wortspaltungen dieser ÜBER-setzung und ihre gezielten ›Fehler‹ schockierten manche“, wie er in seiner Dankesrede zur Verleihung des Johann-Heinrich-Voß-Preises vor drei Jahren bemerkte, und fuhr fort: „Zum ›eigentlichen‹ Übersetzer wurde ich 1990 durch die Teilnahme an der ersten Übersetzerwerkstatt, die vom LCB unter der Leitung von Karin Graf veranstaltet wurde.“ Dort stellte er »Elf Notizen zur Dynamik des Übersetzens« zur Diskussion, die den Übersetzer als Sinn-Werker, das Übersetzen als Sprachreflexion beschrieben. Und seinen künftigen Werdegang markierten, denn mit Übertragungen hochkomplexer Werke u.a. von Herman Melville, Victor Hugo, Paul Claudel und Henri Michaux, oft begleitet von Dossiers in Norbert Wehrs »Schreibheft«, setzte er Maßstäbe; Zeitgenossen wie Gerard Murnane und Michael Palmer lesen wir in seiner an den Klassikern geschulten Sprache. Unvollendet bleibt ein letztes Mammutwerk, die Arbeit an der zwölfbändigen Ausgabe der Tagebücher von Henry David Thoreau für Matthes & Seitz; die Bände 6, 7 und 8 werden nun aus dem Nachlass erscheinen. Rainer G. Schmidt gehörte über Jahrzehnte zu den freundschaftlichen Begleitern des LCB – ein Enthusiast der Literatur, dessen Stimme uns fehlen wird. Er wurde 75 Jahre alt. Das Bild stammt von Renate von Mangoldt aus dem Jahr 2017.