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Bewegung und Dichte

Kaśka Bryla

34_Bryla_Bewegung und Dichte © privat

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Erst die Bewegung, dann Dichte.
Stundenlanges Laufen eilt dem Schreiben voraus, ordnet den Gedankenpool, der morgens – mit Ideen randvoll – keinen Fokus findet.
Danach kann ich überall schreiben, mit allen Utensilien, die Buchstaben in eine nachhaltige Form bringen.
Wenn es sein muss, der Druck einer Deadline stark genug ist, könnte man mich ebenso in ein knallvolles Fußballstadion setzen wie mitten auf eine Technoparty. Ungern verzichte ich nur auf schnelles Internet.

Dringlichkeit bestimmt das Thema. Da stets mehrere Themen dringlich sind, darf der Körper entscheiden, wohin es am stärksten drängt.
Wurde eine Entscheidung getroffen, ziehen sich die anderen Themen zurück, auf später, und das eine beginnt sich in alle Richtungen auszudehnen. Es taucht auf in Gesprächen, in Träumen. Bücher, Filme, Stücke und Ausstellungen arbeiten mir entgegen.

Die eigentlichen Herausforderungen sind Form und Ton. Sie zu finden bestimmt über Erfolg oder Scheitern. Kritischer noch als die Form ist der Ton. Der Ton muss gleichsam durch Körper und Kopf gleiten. Er lässt sich nichts aufzwingen. Er fordert mich auf, mir selbst zu vertrauen – maximal. Er stellt mich bloß. Hinter dem Ton werde ich mich nicht verstecken können. Er macht mich nackt. Für den Ton gibt es weder Entschuldigungen noch Ausreden: Aber es war doch so gemeint.
Sobald ich den Ton berührt habe, bin ich beruhigt und aufgeregt und weiß: Es wird funktionieren.

 


 

Woraus besteht die Gegenwartsliteratur? Unsere Reihe im Rahmen von »Neustart Kultur« fragt: Woraus ist die deutschsprachige Gegenwartsliteratur gemacht, aus welchen Materialien, Gegenständen und Ideen besteht sie, aus welchen Stoffen gewinnen Texte heute ihre Kraft? Mehr Infos zur Veranstaltungsreihe hier.

Dieser ›Stoff‹ ist Teil von »DYKE DOGS Literatur Salon«, kuratiert von Eva Tepest und Lynn Takeo Musiol, mit Duygu Ağal, Magda Albrecht, Kaśka Bryla, Samantha Bohatsch, Karen-Susan Fessel, Franziska Gänsler, Anna Hetzer, Selma Matter, Ronya Othmann, Marie Lucienne Verse, Hengameh Yaghoobifarah und Derya Yıldırım, am 15. September 2022.

Materialsammlung »Stoffe«

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