Leselampe

2022 | KW 31

© thomas langdon

Buchempfehlung der Woche

von Teresa Präauer

Teresa Präauer, geboren 1979, studierte Germanistik und bildende Kunst. Im Wallstein Verlag erschienen die Romane Für den Herrscher aus Übersee, Johnny und Jean und Oh Schimmi sowie der Großessay Tier werden und das Geschichtenbuch Das Glück ist eine Bohne. 2022 publizierte sie die essayistische Erzählung Mädchen ebendort und gerade ist bei Hatje Cantz Lucas Cranach. A-Z (auch in englischer Sprache erhältlich) erschienen. Teresa Präauer lebt in Wien.

Elfriede Gerstl
Das vorläufig Bleibende
Texte aus dem Nachlass und Interviews, hg. von Christa Gürtler und Martin Wedl, Literaturverlag Droschl Verlag, Graz 2017

Ich möchte die Lektüre oder Wiederlektüre der Wiener Dichterin Elfriede Gerstl anregen. Sie ist im Jahr 2009 gestorben, die Werkausgabe ihrer verstreuten Texte erschien in den Jahren danach im Literaturverlag Droschl, herausgegeben von Christa Gürtler und Martin Wedl. Ich empfehle für den Anfang den letzten von fünf Bänden, »Das vorläufig Bleibende« (2017).
Der Titel allein zeigt schon, wie selbstironisch Elfriede Gerstl mit der Sprache und ihrem Werk umgegangen ist. Aber gegen die Vorläufigkeit wollen wir uns nun stemmen und dem Bleibenden Gewicht verleihen durch das Lesen ihrer Texte. Es finden sich auch immer wieder autobiografische Schnipsel darunter, über die Zeit als junges Mädchen im Nationalsozialismus, als Jüdin versteckt lebend in Wien, über die Nachkriegsjahre, Studium, Mutterschaft, Veröffentlichungen, das Leben als Dichterin.
Später in diesem Band begegnen wir ihr übrigens bei einem Ausflug ans Literarische Colloquium in Berlin, wo sie, laut eigener Aussage, sich als Außenseiterin wahrnahm. Und das blieb sie in diesem Literaturbetrieb auch beinah ihr ganzes Leben, sieht man von der eher experimentelleren Wiener Szene und einigen späten Preisen und Würdigungen ab.
Ich habe vor kurzem Claudia Bauers Inszenierung von Ernst-Jandl-Texten (»humanistää« am Wiener Volkstheater) gesehen und mich sehr daran ergötzt, wie komisch, sprachlustig, ausgestellt-mechanistisch und kunstvoll die Regisseurin mit seiner Arbeit umging. So etwas würde ich mir für Elfriede Gerstls Prosa und ihre Gedichte wünschen: eine Dramatisierung für die große Bühne!
Und bis dahin lese ich sie in meinem großen Zimmer für mich allein: »literarische mischpoche // manche texte sind freunde / die man gerne wiedertrifft / in manche war ich verknallt / manche haben spuren hinterlassen / (…) ich stell mir die texte /geschwisterlich tuschelnd vor / verwandtschaften / verschiedene grade / spezialisten zeichnen die / stammbäumchen«

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