Tasten

Von analogen Tastaturen aus werden durch die Bahnen elektronischer Geräte Zeichen gesetzt, die durch die Zeichenfolge dahinter zustande kommen. Für den Buchstaben a ist der dahinterliegende Code, das binäre Bitmuster nach ASCII-Kodierung, zum Beispiel 01000001. Binär kodiert, und doch müssen beide Seiten der Binarität hier zusammenkommen, um zum gewünschten Output zu gelangen.

Zahlen werden zu Buchstaben, alles geht ineinander über in diesem digitalen Raum, das Klackern eine beruhigende Konstante. Ich mag den Umgang mit Codes, das Entschlüsseln, die Möglichkeit etwas hinter Chiffren verschwinden zu lassen (“Lausige Metaphern!”, entrüsten sich jetzt vielleicht die Deutschlehrer*innen).

Alles immer ein Herantasten (im Leben, im Schreiben), vorsichtig und behutsam, oft ein sanftes Offenlegen von lebensnahem Horror, ein Umkreisen des Unsagbaren oder Unsäglichen. Alles erschaffen gegen/mit den kantigen, manchmal glatten (ich schreibe viel auf dem Smartphone) Oberflächen dieser Tastaturen.

In letzter Zeit stehen Tasten aber auch für die Klaviatur eines Flügels, für etwas Schönes und Schreckliches, einen Klangkörper, der den sprachlichen Raum erweitert und Dinge offenlegt, die auch im Text selbst bislang verborgen bleiben konnten, in einer Zusammenarbeit, die sich selbst auf vielen Ebenen entlang tastet.

Auch hier steht hinter dem Output – der Note – eine Kodierung, etwas Verschlüsseltes auf den Seiten, für mich nicht entzifferbar

(wie immer)

das eigene Gefühl.

Woraus besteht die Gegenwartsliteratur? Unsere Reihe im Rahmen von »Neustart Kultur« fragt: Woraus ist die deutschsprachige Gegenwartsliteratur gemacht, aus welchen Materialien, Gegenständen und Ideen besteht sie, aus welchen Stoffen gewinnen Texte heute ihre Kraft? Mehr Infos zur Veranstaltungsreihe hier.

Dieser ›Stoff‹ ist Teil von
Buchpremiere: Simoné Goldschmidt-Lechner, Lesung und Gespräch mit Simoné Goldschmidt-Lechner am 27. Juli 2022.

Materialsammlung »Stoffe«